Gewalt ist eine Loesung
Bielefelder auf. Und die ersten Erkenschwicker waren schon ausgeknockt. Ein Debakel lag in der Luft.
Sie liefen. Die Erkenschwicker legten den Rückwärtsgang ein und überließen uns das Schlachtfeld. Was für ein Triumph. Das Adrenalin jagte durch unsere Körper. Wir umarmten uns und feierten die gewonnene Schlacht. Was für ein geiles Gefühl! Wir lachten uns kaputt über ihre panischen Gesichter und schlenderten zurück in die Kneipe. Dieser Sieg musste gebührend begossen werden.
Nur wenig später war die Pinte bereits von starken Polizeikräften umstellt. Die Ordnungshüter waren richtig sauer. Wie wir später erfuhren, befanden sich alle Polizeieinheiten mitsamt ihren Einsatzfahrzeugen im Stadion. Die Tore waren verschlossen – Ordnung muss schließlich sein – und niemand konnte kurzfristig einen Schlüssel auftreiben, als vor dem Stadion unsere Schlägerei losging. Die Polizisten waren gefangen. Eingesperrt. Und über Funk durften sie von unserer Aktion hören – nur eingreifen konnten sie nicht.
Die beiden SKBs aus Bielefeld suchten umgehend die Kneipe nach Spuren ab und ließen sich von allen die Faustballen zeigen. Jede Hand wurde auf Hautabschürfungen oder Blut untersucht – eine Maßnahme, die dem Polizisten in mir durchaus bekannt vorkam. Schläge hinterlassen immer Spuren – nicht nur im Gesicht des Gegners. Und ein Faustschlag schmerzt. Immer. Und zwar alle Beteiligten. Nicht während eines Kampfes. Erst wenn das Adrenalin den Körper verlassen hat und das normale Schmerzempfinden wieder einsetzt. Dann tut alles weh. Gerade die Fäuste. Eine Hand besteht aus 27 Knochen und 33 Muskeln. Ein kompliziertes Konstrukt, nicht dafür geschaffen, mit voller Wucht gegen einen dicken Schädelknochen zu knallen. Nicht selten gab es bei uns üble Knorpel- und Knochenverletzungen zu beklagen, weil bei einem nicht sauber ausgeführten Schlag die eigenen Handknochen wie Hähnchenflügel zerbrachen. Ein Schmerz, den ich noch öfters erleiden sollte. Aber nicht an diesem Tag in Erkenschwick. Hier gab es für die Polizei gar nichts aufzudecken. Keine Spuren, keine Beweise.
Die Zivilbeamten aus Bielefeld waren erbost. Uns war es trotz eines gewaltigen Polizeiaufgebotes gelungen, die geplante Keilerei durchzuführen, und nun sollten sie nicht einen von uns erwischen? Ein sofortiger Platzverweis wurde angeordnet. Das gestellte Ultimatum war deutlich: Entweder wir würden ohne Verzug ins Stadion gehen oder direkt in die Arrestzelle wandern. Was für eine Frage – wir wollten schließlich zum Fußball!
Unter starker Polizeibegleitung wurden wir in den Bielefelder Block geführt. Der Onkel und die restlichen Jungs ärgerten sich maßlos über die verpasste Schlägerei. Irgendwann packte der Onkel mich an der Schulter: »Da geh ich schon mal ins Stadion, um Fußball zu gucken, und dann verschlafe ich das Hauptmatch!« Das wichtigste Spiel an jenem Tag führte die Blue Army. Und sie gewann. Ich war endlich angekommen.
6. Freistoß –
Die Mauer in Berlin fällt
Die deutsche Wiedervereinigung erlebte ich mit durchgeladener Maschinenpistole und Stahlhelm in der Hand im Fernsehraum unserer BGS-Kaserne in Lüneburg. Die großen Transporthubschrauber standen mit laufenden Rotoren auf dem Exerzierplatz bereit, um uns im Krisenfall schnell an die Zonengrenze zu fliegen. Keiner wusste zu jener Zeit, wie sich die 47.000 bewaffneten DDR-Grenztruppen verhalten würden. Heute wissen wir es: Sie hielten sich zurück.
Für den BGS brachte dieser politische und historische Umbruch große Umstrukturierungsmaßnahmen. Auch für mich. Ich wurde aufgrund meiner guten Zeugnisse und Beurteilungen nur wenige Monate später nach Ostberlin abgeordnet. Polizeiliche Aufbauhilfe gewissermaßen, die an einem Wochenende im Sommer 1990 ruhen musste, schließlich wartete die Party des Jahres auf mich und die Fußball-Jungs: die Hochzeit des Onkels.
In den Kühlschränken lagerten Dutzende von Korn- und Wodkaflaschen, in einem Garten stand ein gewaltiges Festzelt, die Lautsprechertürme reichten bis knapp unters Dach – beste Voraussetzungen für eines der größten Hooligan-Events Deutschlands. Ich hatte es so weit bei der Blue Army gebracht, dass ich mit auf der Gästeliste stand. Und die las sich wie das Who’s who der nationalen Hooligan-Szene. Aus Bielefeld erschien der harte Kern der Blue Army mit weiblicher Begleitung. Dazu die wichtigsten Leute aus den einschlägigen Kneipen und Bars Bielefelds – Inhaber, Türsteher und
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