Gewalt ist eine Loesung
Kickboxern, Türstehern, Hooligans und weitere Dinge, die aber kaum verwertbar waren. Von all diesen Aktionen im Hintergrund bekam ich zu jener Zeit allerdings nichts mit. Bis ich einen Anruf aus dem Polizeipräsidium Bochum erhielt.
Ein alter Kollege und Freund rief mich gut gelaunt an: »Was hast du wieder ausgefressen, Schubi? Bei der Befehlsausgabe heute wurde ein Bild von dir herumgereicht. Jeder sollte angeben, ob er dich kennt und ob du bei Spielen von der Arminia gegen den VfL Bochum als Hooligan aufgefallen bist.« Ich bekam schon wieder feuchte Hände. Diese ständigen kleinen Nadelstiche machten mich langsam krank. Würde das denn nie aufhören? Ich fragte ihn, ob er sich gemeldet hätte. Er lachte laut los. »Ich? Nein. Wieso? Ich kenn dich doch gar nicht.« Wir lachten beide. Galgenhumor, aber eine kleine Entwarnung wenigstens. Ich wollte wissen, welches Bild überhaupt verwendet worden war. Und es stellte sich heraus, dass sich die Bielefelder Behörde das Passfoto meines alten Dienstausweises besorgt hatte. Was würde wohl als Nächstes kommen?
Der Dienstag, 5. November 1996! »Polizeibeamter ist Fußball-Hooligan«. Da stand es. In großen Lettern. Polizeibeamter ist Fußball-Hooligan. Drei Wörter – vielleicht mein Ende …
Das Polizeipräsidium war aus der Deckung gekommen. Über die Pressestelle. Keine einzige persönliche Aussprache mit mir, kein Blatt Papier auf meinem Tisch – nur eine Meldung an das Westfalen-Blatt. Die Zeitung machte an jenem Morgen schnell die Runde. Die ersten Diskussionen kamen auf. Erstaunt und verärgert wunderten sich einige, dass ich weder von Ermittlungen noch über die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen mich informiert worden war. Außerdem war der Artikel gespickt mit Polizei-Interna, die nur von höchster Ebene an die Presse gelangt sein konnten. Andere gingen auf Abstand, das war sofort zu spüren. Ich verließ die Dienststelle – ohne das obligatorische Dienstabschluss-Bier. Auf dem Weg nach Hause hielt ich bei der nächsten Tankstelle an, kaufte mir zwei Flaschen Becks und die aktuellen Ausgaben des Westfalen-Blatts, der Neuen Westfälischen und der Bild-Zeitung.
Morgens um 06.30 Uhr trank ich also ein Bier, um meine Nerven zu beruhigen. Ich blätterte die Zeitungen durch. In den anderen Bielefelder Zeitungen stand noch nichts. Alles lief exklusiv über das Westfalen-Blatt – und, wie ich schnell feststellen musste, auch über einen lokalen Bielefelder Radiosender.
Ich erwartete eine Reaktion meiner Dienststelle auf die neueste Entwicklung. Einen Hinweis wenigstens, wie mein weiterer Dienst geplant sein würde. Wäre ich freigestellt? Würde ich in eine andere Dienststelle versetzt werden? Gefeuert? Nichts passierte. Um 22 Uhr stand meine nächste Nachtschicht an und ich wusste nicht, ob ich sie überhaupt noch antreten durfte. Ich erwog eine kurzfristige Krankschreibung, aber das wäre mir zu feige gewesen. Diese Geschichte hatte ich mir selbst zuzuschreiben. Ich wusste schon seit Jahren, dass dieser Moment eintreten könnte, und nun musste ich mich dem Sturm auch stellen. Ich wollte nicht jammern. Da war auch eher Wut in mir. Diesen Bürokratie-Soldaten im Präsidium wollte ich nicht die Genugtuung geben und auch noch kneifen. Ich fuhr zu meiner Dienststelle und trat meine Nachtschicht an.
So langsam dämmerte mir die Strategie der Polizeiführung. Der Zeitungsartikel war erschienen, um den Druck auf mich zu erhöhen und mich mürbe zu machen. Man war wohl davon ausgegangen, dass mich diese Sache völlig unvorbereitet treffen würde. Das war kaltschnäuzig, aber auch riskant. Hatte einer von diesen Spitzenbeamten bedacht, was ein junger, in die Ecke getriebener Polizist mit einer geladenen Waffe an seinem Gürtel hätte anrichten können? Wussten diese Leute nicht, dass Menschen in ähnlichen Drucksituationen durchdrehen können?
Ich drehte nicht durch, betrat aber mit einem mulmigen Gefühl die Dienststelle. Mein direkter Vorgesetzter, der sogenannte Dienstgruppenleiter, nahm mich sofort zur Seite und fragte nach irgendwelchen Neuigkeiten. Ich konnte ihm nichts weiter berichten. Und auch er war auf eine Mauer des Schweigens gestoßen, als er versucht hatte, im Haus etwas Neues zu erfahren. Mein Vorgesetzter gab mir den Rat, schnell einen Rechtsanwalt aufzusuchen – mehr konnte auch er nicht für mich tun. Er sprach mir Mut zu. Ich solle den Kopf nicht hängen lassen und meine gute Arbeit fortführen, erklärte er mir. Der öffentlich
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