Gewalt ist eine Loesung
gemachte Hooligan-Polizist Stefan Schubert trat planmäßig seine Nachtschicht an.
Und nur wenige Stunden später stand ein Kollege mit der neuesten Ausgabe des Westfalen-Blattes vor mir. Immerhin gab es noch eine Zeitung, aus der ich erfahren konnte, wie es um mein weiteres Berufsleben bestellt war; was ich aber nun lesen musste, war ein Schlag in die Magengrube: »Polizisten zeigen Kollegen an. Angeblich gewalttätiger Hooligan in WDR-Beitrag entdeckt.« Mein Vorgesetzter überflog wie alle anderen Kollegen den Zeitungsartikel und schaute mich fragend an: »Was ist das mit dem Film im WDR? Was ist da zu sehen?« Meine Nerven lagen blank. »In dem Film ist gar nichts zu sehen. Der wurde bei den Aufstiegskrawallen auf dem Klosterplatz gedreht«, antwortete ich trotzig. »Aber hier steht, in dem Film sei entdeckt worden, dass du Landfriedensbruch begangen hättest?!«, bohrte er weiter nach. Immerhin wusste ich jetzt, welches Delikt man mir vorwerfen würde: Landfriedensbruch. »Das ist gelogen«, erwiderte ich. »In dem Film ist zu sehen, wie ich über den Klosterplatz gehe. Und das haben damals mindestens 200 andere Personen auch getan.« »Und du hast nichts gemacht?« Das hatte mich der szenekundige Beamte schon sechs Monate zuvor gefragt. »Nein! Der Film ist seit Monaten bekannt. Auch was darauf zu sehen ist. Und das wissen unsere SKBs ebenfalls!«
Ich konnte deutlich erkennen, dass mir keiner meiner Kollegen glaubte. Wie oft war ich zuletzt in der Nähe von schweren Hooligan-Krawallen ausgemacht worden? Und immer soll ich unschuldig gewesen sein? Nur das Opfer dummer Zufälle? Die Stimmung in meiner Schicht kippte auf einen Schlag. Mein Lügengebäude war zusammengebrochen und ich sah nur noch verständnislose Enttäuschung in den Gesichtern derer, die bis zuletzt zu mir gehalten hatten. Nicht die Tatsache, dass ich jahrelang ein Doppelleben geführt hatte, schien sie zu verletzen. Ich hatte sie angelogen. Immer und immer wieder angelogen. Und ich log noch immer.
Das Tempo beschleunigte sich. Der von der Presse aufgebaute Druck wurde immer stärker. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld leitete ein Ermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs gegen mich ein. Eine Vielzahl von Zeitungen berichtete über das Thema, die Bild-Zeitung betitelte mich als »Rambo-Polizist« und das Nachrichten-Magazin Focus widmete meiner Geschichte eine ganze Seite – reißerisch, wie ich fand. Ein zweifelhafter Ruhm entstand um meine Person. Nichts, was man auch nur ansatzweise hätte genießen können. Im Gegenteil.
Der Focus drängte – wie ich erfahren konnte – die Bielefelder Behörde, ein offizielles Foto von mir zu veröffentlichen. Das Polizeipräsidium musste passen – dieses Foto existierte noch immer nicht. Man einigte sich offenbar darauf, ein Bild aus dem WDR-Film zu verwenden, auf dem ich allerdings nur von hinten zu sehen war. Und wie sich nun bei den Recherchen zu diesem Buch herausstellte, hetzte mir der Focus damals einen Fotografen auf den Hals. Der aber stand eine Woche vor dem Haus eines anderen Bielefelders mit dem Namen Stefan Schubert, was mir für diesen unbescholtenen Bürger wirklich leidtut.
Die Medien forderten in der Folgezeit mit zunehmendem Druck das Ende meiner Streifendienst-Tätigkeit. Ich fühlte mich mittlerweile ohnehin verheizt. Ja, ich war für mein Doppelleben verantwortlich – gar keine Frage. Aber aus welchem Grund wurde ich ohne Verurteilung öffentlich ans Kreuz genagelt? Und der öffentliche Druck wurde von Tag zu Tag größer. Für mich gab es in dieser Situation nur noch eine Lösung: Ich ließ mich für vier Wochen krankschreiben.
Nach zwei Wochen ließ man meine Dienstwaffe bei mir zu Hause abholen. Der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Süd stand persönlich vor meiner Tür. Und von ihm hörte ich zum ersten Mal seit Wochen die ersten freundlichen und aufrichtigen Worte eines Polizisten: »Herr Schubert, auch wenn jetzt alle Welt auf Sie einstürmt. Sie sind jung und gesund. Das Leben geht weiter. Da müssen Sie jetzt durch. Lassen Sie den Kopf nicht völlig hängen.« Der Mann hatte recht. Ich meldete mich nach zwei Wochen wieder gesund und kündigte an, wieder in meinen Dienst zurückkehren zu wollen.
Mein alter Job war indes weg. Für mich lag eine Versetzungsverfügung vor. Ich durfte zwar in meiner Schicht verbleiben, aber es wurde mir untersagt, weiter Streife zu fahren. Ein des Hooliganismus beschuldigter Polizeibeamter sollte nicht mehr in
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