Gewalt
Zahlenwerte selbst, sondern die
Zehnerpotenzen
(das heißt die Zahl der Nullen) gleiche Abstände. Die Skalenpunkte bezeichnen also Bevölkerungszahlen von 10 000 , 100 000 , einer Million und so weiter. Ebenso sind die Anteile der Städte mit den verschiedenen Bevölkerungszahlen auf einer Skala mit gleichen Abständen für Zehnerpotenzen eingezeichnet: ein Hundertstel ( 1 / 100 oder 0 , 01 ) eines Prozents, ein Tausendstel ( 1 / 1000 oder 0 , 001 ) eines Prozents, ein Zehntausendstel, und so weiter. Dehnt man die Achsen nach diesem Prinzip, geschieht mit der Verteilungskurve etwas Interessantes: Das L streckt sich zu einer hübschen Geraden. Das ist das typische Merkmal einer Potenzgesetz-Verteilung.
Abbildung 5 – 10 :
Bevölkerungszahlen der Städte (eine Potenzgesetz-Verteilung), eingetragen auf einer linearen und einer logarithmischen Skala
Damit sind wir wieder bei den Kriegen. Da Kriege einer Potenzgesetz-Verteilung unterliegen, können manche mathematischen Eigenschaften einer solchen Verteilung uns helfen, das Wesen und die Entstehungsmechanismen von Kriegen zu verstehen. Zunächst einmal haben Potenzgesetz-Verteilungen mit den Exponenten, die wir für Kriege beobachten, nicht einmal einen eindeutigen Mittelwert. So etwas wie einen »typischen Krieg« gibt es nicht. Wir sollten nicht einmal im Durchschnitt damit rechnen, dass ein Krieg sich so lange fortsetzt, bis die Zahl der Todesopfer sich zu einer bestimmten Höhe summiert hat, um dann von selbst im Sande zu verlaufen.
Zweitens sind Potenzgesetz-Verteilungen
maßstabsfrei
. Wenn wir uns in der doppelt logarithmischen Darstellung an der Geraden auf und ab bewegen, sieht sie immer gleich aus, nämlich wie eine Gerade. Daraus ergibt sich die mathematische Folgerung, dass die Verteilung immer gleich bleibt, auch wenn man die betrachteten Einheiten vergrößert oder verkleinert. Angenommen, Computerdateien von 2 Kilobyte haben ein Viertel der Häufigkeit von Dateien mit einem Kilobyte. Wenn wir dann das Diagramm aus größerem Abstand betrachten und uns den Dateien in einem höheren Größenspektrum zuwenden, finden wir das gleiche Prinzip: Dateien von einem Megabyte sind viermal so häufig wie solche von 2 Megabyte, und Dateien von einem Terabyte sind viermal häufiger als solche von 2 Terabyte. Im Zusammenhang mit Kriegen kann man sich das folgendermaßen vorstellen: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem kleinen Krieg mit beispielsweise 1000 Opfern ein mittelgroßer Krieg mit 10 000 Opfern wird? Die Antwort: genauso groß wie die Chance, dass ein mittelgroßer Krieg mit 10 000 Opfern zu einem großen Krieg mit 100 000 Opfern wird oder dass ein großer Krieg von 100 000 Opfern zu einem historisch großen Krieg mit einer Million Todesopfern wird oder dass ein historischer Krieg sich zum Weltkrieg entwickelt.
Und schließlich haben Potenzgesetz-Verteilungen einen »dicken Schwanz«, das heißt, sie zeigen eine Zahl von Extremwerten, die man nicht vernachlässigen kann. Wir werden niemals einem sechs Meter großen Mann begegnen oder ein Auto sehen, das auf der Autobahn 800 Stundenkilometer schnell ist. Eine Stadt mit 14 Millionen Einwohnern dagegen kann man sich vorstellen, ebenso ein Buch, das zehn Jahre auf der Bestsellerliste steht, oder einen Mondkrater, der so groß ist, dass man ihn von der Erde mit bloßem Auge sehen kann – oder auch einen Krieg, der 55 Millionen Todesopfer fordert.
Wegen des dicken Schwanzes, der in einer Potenzgesetz-Verteilung nicht plötzlich, sondern nur allmählich schmaler wird, wenn man sich auf der Skala der Größenordnungen nach oben bewegt, sind Extremwerte zwar
extrem unwahrscheinlich
, aber nicht
astronomisch unwahrscheinlich.
Das ist ein wichtiger Unterschied. Die Chance, dass uns ein sechs Meter großer Mann begegnet, ist astronomisch gering; wir können unser Leben darauf verwetten, dass es nie geschehen wird. Dagegen ist die Chance, dass eine Stadt auf 20 Millionen Einwohner wächst oder dass ein Buch 20 Jahre auf der Bestsellerliste bleibt, nur extrem gering – es wird vermutlich nicht geschehen, aber man könnte sich durchaus vorstellen, dass es geschieht. Welche Folgerungen sich daraus für Kriege ergeben, brauche ich wohl nicht besonders zu betonen. Dass sich auf der Welt ein Krieg ereignet, in dem 100 Millionen Menschen ums Leben kommen, ist extrem unwahrscheinlich, und noch unwahrscheinlicher ist es, dass ein Krieg eine Milliarde Opfer fordern wird. Aber im
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