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Gewalt

Gewalt

Titel: Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Pinker
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er zählte, wie viele Konflikte den unterschiedlichen Größenordnungen zuzuordnen waren – bei wie vielen die Zahl der Todesopfer also nach Tausenden, nach Zehntausenden, nach Hunderttausenden und so weiter zu bemessen waren. Wie nicht anders zu erwarten, fand er viele kleine und wenige große Kriege. Überraschend war aber, wie sauber der Zusammenhang sich darstellte. Als Richardson den Logarithmus der Zahl von Konflikten der einzelnen Größenordnungen gegen den Logarithmus der Opferzahl je Konflikt (das heißt seiner Größenordnung) in ein Diagramm eintrug, fand er Folgendes:
    Abbildung  5 – 7 :
    Anzahl tödlicher Konflikte verschiedener Größenordnungen in den Jahren 1820 bis 1952
    Dass Messpunkte auf vollkommen geraden Linien liegen, ist für Wissenschaftler ein gewohntes Bild, wenn die Daten aus »harten« Wissenschaften wie der Physik stammen, beispielsweise wenn man das Volumen eines Gases gegen seine Temperatur aufträgt. Aber nicht einmal in ihren wildesten Träumen hätten sie damit gerechnet, dass die chaotischen Daten aus Geschichtsforschung und Politikwissenschaft sich so verhalten würden. Die hier analysierten Befunde stammen aus einer buntscheckigen Mischung tödlicher Konflikte, von der größten Katastrophe der Menschheitsgeschichte bis hin zum Putsch in einer Bananenrepublik und vom Anbeginn der Industriellen Revolution bis hin zum Beginn des Computerzeitalters. Wenn man sieht, wie dieser Mischmasch verschiedener Daten eine vollkommene Diagonale bildet, bleibt einem der Mund offen stehen.
    Datenbestände, bei denen der Logarithmus der
Häufigkeit
eines bestimmten Objektes proportional zum Logarithmus der
Größe
dieses Objektes ist, so dass ein Diagramm auf doppelt logarithmischem Papier eine Gerade ergibt, werden als Potenzgesetz-Verteilungen bezeichnet. [536] Wenn man nämlich die Logarithmen weglässt und auf die ursprünglichen Zahlen zurückkommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Objekt sich in den Daten zeigt, proportional zu seiner Größe, die in eine bestimmte Potenz erhoben wurde (also einen bestimmten Exponenten hat, was sich in der Steigung der Geraden in der doppelt logarithmischen Darstellung niederschlägt), vermehrt um eine Konstante. Der Exponent beträgt in diesem Fall - 1 , 5 , das heißt, mit jeder zehnfachen Zunahme der Opferzahl eines Krieges kann man mit einem Drittel der Häufigkeit solcher Kriege rechnen. Richardson trug Morde (Konflikte der Größenordnung 0 ) zusammen mit den Kriegen in ein einziges Diagramm ein und stellte dabei fest, dass sie der gleichen Gesetzmäßigkeit unterliegen: Sie richten viel, viel weniger Schaden an als die kleinsten Kriege und sind viel, viel häufiger. Aber sie nehmen eine einsame Stellung ganz oben auf der senkrechten Achse ein, weit über dem Schnittpunkt mit der extrapolierten Gerade für die Kriege; als Richardson erklärte, alle tödlichen Konflikte seien Teil des gleichen Spektrums, trieb er die Sache also ein wenig zu weit. Kühn verband er den Punkt für die Morde durch eine gebogene Kurve mit der Geraden für die Kriege, so dass er die Zahl der Konflikte berechnen konnte, deren Opferzahlen im ein-, zwei- und dreistelligen Bereich liegen. (Das sind die Konflikte unterhalb des militärischen Horizonts, die in die Kluft zwischen Kriminalistik und Geschichtsforschung gehören.) Aber lassen wir jetzt die Morde und kleinen Konflikte einmal beiseite und konzentrieren wir uns auf die Kriege.
    Könnte es sein, dass Richardson mit seiner Stichprobe ganz einfach Glück hatte? 50  Jahre später zeichnete der Politikwissenschaftler Lars-Erik Cederman eine Kurve mit neuen Daten von Kriegstoten aus dem Correlates of War Project, in dem 97 zwischenstaatliche Kriege aus den Jahren von 1820 bis 1997 einbezogen wurden. [537] Auch sie bilden in doppelt logarithmischer Darstellung eine Gerade (Cederman erstellte die Kurve auf geringfügig andere Weise aus den Daten, dies spielt aber in unserem Zusammenhang keine Rolle). [538]
    Abbildung  5 – 8 :
    Kriegswahrscheinlichkeit verschiedener Größenordnungen in den Jahren 1820 bis 1997
    Wissenschaftler sind aus zwei Gründen von Potenzgesetz-Verteilungen fasziniert. [539] Erstens zeigen sich solche Verteilungen immer wieder bei der Messung von Größen, die auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben. Eine der ersten Potenzgesetz-Verteilungen entdeckte der Linguist G. K. Zipf in den 1930 er Jahren, als er die Häufigkeit von Wörtern der englischen Sprache in ein Diagramm eintrug. [540]

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