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Gewalten

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Titel: Gewalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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dreimal, der Automat summt andere, viel längere Scheine in den Ausgabeschacht, ein Vietnamese steht in der Tür des kleinen Restaurants, vor dem der Automat befestigt ist, und blickt misstrauisch zu mir rüber, schnell nach Hause!, der Vietcong ist überall. 16 Uhr, und ich renne eine Abkürzung durch den Park, der bis vor ein paar Jahren ein stillgelegtes Bahngelände war, Güterbahnhof, Eilenburger Bahnhof, Gleise, stählerne Eisenbahnbrücken, Schienen, die sich kreuzen, verfallene Fabriken und Lagerhallen mit Verladerampen, aber das ist jetzt fast alles verschwunden ... eine große langgestreckte Parkanlage, und nur die S-Bahn fährt noch über eine der Brücken, direkt hinter meinem Haus. (Ich habe einen Traum, den habe ich immer wieder und seit Jahren schon, S-Bahnen fahren auf mehreren Ebenen übereinander, eine gewaltige Hochbahn, die Ebenen am Haltepunkt Angercrottendorf mit stählernen Treppen und Leitern verbunden, ein stetiges Abfahren und Ankommen von Zügen, Menschenströme auf den Leitern und Treppen, ein nicht enden wollendes
Quietschen und Brummen, Bremsen und Anfahren, und in den Nächten dazu die Lichterketten der Waggons, und ich steige aus, stolpere die stählernen Stiegen runter auf die Straße, hetze um den Block, ein winziger Spätverkauf neben dem anderen, dabei steht hier doch alles leer, Menschenschlangen auch vor diesen Geschäften, und ich hetze um den Block, schmale Gassen, wo keine sind, und wieder die Treppen, KLONG KLONG KLONG , hoch zu den Zügen, ich stehe auf der obersten Ebene, und das Viertel klein unter mir ...)
    Und ich sehe, wie
Mharadono
das Rennen über zwei Drittel der Distanz führt, aber ich weiß jetzt, dass er nicht gewinnen kann, nicht locker galoppiert er, meine Augen berühren fast den Bildschirm (Flachbildschirm, kein Flimmern!), ruckartig, angestrengt, und die Favoriten ruhig im Windschatten, aber vielleicht kann er Dritter werden, dann hätte ich mein Geld mit leichtem Plus wieder drin, 50 auf Sieg, 50 auf Platz habe ich gesetzt, die Codenummern meiner Paysafe-Karten eingetippt, und dann sind die 100 weg, und ich habe noch 50 . Und da ist dieses Rennen in Bad Doberan, der Juwelierhaus-Grabbe-Cup, und dort funkelt
Heart Forever
, großer Außenseiter, hat aber fast die meisten Saisonstarts in dem Zehnerfeld der wenig geprüften Dreijährigen, alle in Frankreich. »Formen aus der französischen Provinz sind nicht viel wert«, schreibt die
Sportwelt
. Nein, das glaube ich nicht, die Stute ist gut in Schuss, hat Kondition, und denkt ihr etwa, die bringen das Pferdchen den langen Weg bis an die Ostsee, um hier
nichts
und
nichts
und
nichts
zu reißen? Ich fülle den Wettschein aus, setze meine 50 Euro, 200 er Quote, das wären 1000 für den Sieg, ich muss nur noch »Wette bestätigen« anklicken, habe den Finger schon auf der Maus, dann spüre ich eine
Unsicherheit, ein seltsames Brennen in der Magengegend, das rückt langsam höher, warum geht dieser Fischgeruch nicht weg?, Föhnwinde in der Leipziger Tieflandsbucht, und wenn sie nur Zweite wird?, in Düsseldorf wird später am Abend noch ein großes Rennen sein, für das ich einen heißen
heißen
Tipp habe, aber
Heart Forever
Forever Forever gewinnt das Rennen, schraubt sich auf den letzten Metern an allen anderen vorbei, und ich will meine Feuerwehraxt holen, die ich mir vor einer Weile auf dem großen Antikmarkt gekauft habe, und mir den rechten Zeigefinger abhacken, der immer noch über der Maustaste schwebt, krumm und steif geworden inzwischen, und in Düsseldorf, Rennbahn Grafenberg, verliere ich den Rest.
    Wir schlendern zwischen den Bierbänken und Tischen entlang, unsere Rennzeitungen
Sportwelt
wie Segel vor uns aufgefaltet, die uns vorantreiben, Richtung Führring treiben, der von alten, großen Bäumen umstanden wird, Schatten, durch den bald die Pferde des dritten Rennens (siehst du die 8 , nee der, sieht nicht gut aus, schau mal, wie der schon schwitzt, ganz schaumig, aber die 1 , also wenn der nicht zündet heute, der tänzelt doch schon wie ein Gewinner!) geführt werden, brauchen
wir
Führung?, ab und an heben wir den Blick, um nicht zu kollidieren, und unsere Sonnenbrillen tauchen hinter den dicht bedruckten Segeln auf, I never promised you a
Rosegarden
, lief das nicht im Autoradio auf der Hinfahrt?, und sind wir da nicht gerade am Flughafen vorbeigekommen, und direkt vor uns, über die breite Brücke, die zwei Startbahnen verbindet, rollte langsam eine Boeing, hier passieren viele Unfälle, Flug-

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