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Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Titel: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marshall B. Rosenberg
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Williams, schrieb sich die Grundelemente dieses Modells auf eine kleine Karte, die er als „Spickzettel“ bei der Arbeit benutzte. Wenn sein Chef ihn mit etwas konfrontierte, hielt Sam inne, schaute auf die Karte in seiner Hand und nahm sich die Zeit, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie er antworten wollte. Als ich ihn fragte, ob ihn seine Kollegen nicht ein bißchen komisch fänden, wenn er immer auf seine Hand starrte und soviel Zeit brauchte, um einen Satz zusammenzubringen, erwiderte Sam: „Es dauert noch nicht mal soviel länger, aber auch wenn es so wäre, ist es mir das wert. Es ist mir wichtig, sicherzugehen, daß ich so auf Leute reagiere, wie ich es wirklich möchte.“ Zu Hause ging er offener damit um und erklärte seiner Frau und seinen Kindern, warum er Zeit und Mühe aufwandte, um seine Karte zu befragen. Immer wenn es einen Streit in der Familie gab, nahm er seine Karte heraus und nahm sich Zeit. Nach etwa einem Monat fühlte er sich sicher genug sie wegzulegen. Dann hatten er und der vierjährige Scottie eines Abends eine Auseinandersetzung über das Fernsehen. Es lief nicht gut. „Papa“, sagte Scottie eindringlich, „hol deine Karte!“
    Für diejenigen von Ihnen, die die GFK auch in herausfordernden Situationen, wie dem Umgang mit Ärger, anwenden möchten, schlage ich eine Übung vor. Wie wir gesehen haben, kommt unser Ärger über andere von Urteilen, Festlegungen und vorwurfsvollen Gedanken darüber, was Leute tun „sollten“ und was sie „verdienen“. Schreiben Sie die Urteile auf, die am häufigsten durch Ihren Kopf wandern, und nehmen Sie dabei folgenden Satz zu Hilfe: „Ich mag Menschen nicht, die ... sind.“ Sammeln Sie all diese negativen Urteile in Ihrem Kopf und fragen Sie sich: „Wenn ich dieses Urteil fälle, was brauche ich dann und was bekomme ich nicht?“ So polen Sie allmählich Ihr Denken um in Richtung unerfüllte Bedürfnisse und weg von Urteilen über andere Menschen.
    Üben Sie, jedes Urteil in ein unerfülltes Bedürfnis zu übersetzen.
    Übung ist absolut notwendig, da die meisten von uns mit mehr oder weniger Gewalt aufgewachsen sind. Andere zu verurteilen und ihnen Vorwürfe zu machen ist uns zur zweiten Natur geworden. Um die GFK zu üben, müssen wir langsam vorgehen, sorgfältig überlegen, bevor wir sprechen, und oft auch nur einen tiefen Atemzug nehmen und gar nichts sagen. Den Prozeß zu erlernen und ihn anzuwenden braucht beides seine Zeit.
    Nimm dir Zeit.
    Zusammenfassung
    Anderen Vorwürfe zu machen und sie zu bestrafen sind oberflächliche Ausdrucksformen von Ärger. Wenn wir unseren Ärger vollständig ausdrücken möchten, ist der erste Schritt der, daß wir die andere Person von jeglicher Verantwortung für unseren Ärger loslösen. Das Aussprechen unserer Bedürfnisse führt viel wahrscheinlicher zu ihrer Erfüllung, als wenn wir andere verurteilen, sie beschuldigen oder bestrafen.
    In den folgenden vier Schritten können wir unseren Ärger zum Ausdruck bringen: 1. innehalten und atmen; 2. unsere verurteilenden Gedanken feststellen; 3. mit unseren Bedürfnissen in Kontakt kommen und 4. unsere Gefühle und unerfüllten Bedürfnisse aussprechen. Manchmal entscheiden wir uns vielleicht dafür, unseren Gesprächspartnern zwischen dem dritten und vierten Schritt Empathie zu geben, damit sie offener für uns sind, wenn wir uns im vierten Schritt dann verbal äußern.
    Wir müssen uns Zeit dabei nehmen, den Prozeß der GFK zu lernen und anzuwenden.
Gewaltfreie Kommunikation in der Praxis: Ein Streitgespräch zwischen einem Vater und seinem heranwachsenden Sohn
In dieser Situation hatte der fünfzehnjährige Bill ohne Erlaubnis von Jorge, einem Freund der Familie, dessen Auto genommen. Er machte mit zwei Freunden eine Spritztour und stellte den Wagen unbeschädigt wieder in der Garage ab; sein Verschwinden war gar nicht bemerkt worden. Dann jedoch erzählte Jorges vierzehnjährige Tochter Eva, die mitgefahren war, ihrem Vater, was sie gemacht hatten. Jorge informierte daraufhin Bills Vater, der jetzt mit seinem Sohn sprechen möchte. Der Vater war kürzlich erst auf einem GFK-Workshop.
Vater: Ich habe gehört, du, Eva und Dave, ihr habt Jorges Auto genommen, ohne ihn zu fragen. 
Bill: Nein, haben wir nicht.
Vater: (Mit lauter Stimme.) Lüg mich nicht an; das macht es nur noch schlimmer! (Dann erinnert er sich daran, zuerst mit seinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen in Kontakt zu kommen, um in Verbindung mit seinem Sohn zu bleiben.) Bleib mal einen

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