Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
Moment da sitzen; ich muß nachdenken. (Geht nach innen und sieht, wie ärgerlich er ist und wie sehr er sich fürchtet. Er ärgert sich, weil er denkt: „Bill hätte es besser wissen sollen!“ und: „Was ist er für ein Lügner geworden!“ Es macht ihm angst, wenn er an die möglichen Folgen nicht nur von Bills Handlung denkt, sondern auch beim Gedanken an sein eigenes Fehlurteil über seinen Sohn. „Das war dumm von mir anzunehmen, er wüßte es besser.“ „Es hätte dabei jemand zu Tode kommen können!“ Er ertappt sich selbst: „Ups, ich muß die Urteile ,dumm‘ und ,Lügner‘ in Gefühle und Bedürfnisse übersetzen. Bei ,dumm‘ nehme ich an, das Gefühl ist Enttäuschung über mich selbst: Ich würde gerne denken, daß ich ihn besser kenne. Und was ,Lügner‘ betrifft, macht es mir ganz schön angst, weil ich sicher sein möchte, daß ich mich darauf verlassen kann, genau zu erfahren, was passiert ist, damit ich mit dieser Situation umgehen kann.“ Stille – während er sich durch den Kopf gehen läßt, wie er anfangen soll zu reden.)
Vater: Bill, hast du Angst davor, daß du bestraft wirst, wenn du mir sagst, was genau passiert ist?
Bill: Ja, du bist immer so gemein zu mir, wenn ich etwas tue, was dir nicht paßt.
Vater: Meinst du, daß du gerne mehr Verständnis hättest für das, was du machst, und auch eine fairere Behandlung?
Bill: Ja, klar, als ob ich von dir wirklich faire Behandlung und Verständnis erwarten könnte!
Vater: (Still zu sich selbst: „Junge, wie werde ich wütend, wenn er das sagt! Sieht er nicht, wie sehr ich mich bemühe? Ich brauche wirklich ein bißchen Respekt dafür. Gerade weil es mir so schwerfällt; und ich glaube auch etwas Unterstützung, weil ich mich so fürchte.“) Hört sich für mich so an, als würdest du befürchten, daß es egal ist, was du sagst, weil du sowieso nicht fair behandelt wirst?
Bill: Was kümmerst du dich darum, ob du mich fair behandelst? Wenn irgendwas passiert, willst du einfach nur jemanden zum Abstrafen haben. Außerdem, was war denn schon? Auch wenn wir das Auto wirklich genommen haben, niemand wurde verletzt, und es ist wieder dort, wo es vorher war. Ich finde, das ist noch kein Kapitalverbrechen.
Vater: Hast du Angst vor harten Konsequenzen, wenn du zugibst, daß du das Auto genommen hast, und möchtest du gerne darauf vertrauen, daß du gerecht behandelt wirst?
Bill: Ja.
Vater: (Gibt der Stille und der Verbindung mit seinem Sohn Zeit, sich zu vertiefen.) Was könnte ich tun, um dir dieses Vertrauen zu geben?
Bill: Versprechen, daß du mich nie wieder bestrafst.
Vater: (Da er sich bewußt ist, daß eine Strafe Bill nicht helfen wird, ein Bewußtsein über die möglichen Folgen seines eigenen Verhaltens zu entwickeln, sondern nur zu noch größerer Distanz und stärkerem Widerstand führen würde, drückt der Vater die Bereitschaft aus, Bills Bitte zuzustimmen.) Ich bin offen für ein solches Versprechen, wenn du einverstanden bist, mit mir im Gespräch zu bleiben. Das heißt, wir reden so lange, bis ich zufrieden bin, daß du dir über alle möglichen Konsequenzen dieser Autofahrt im klaren bist. Dennoch, wenn ich in Zukunft nicht davon überzeugt bin, daß du die möglichen Gefahren deiner Vorhaben siehst, dann muß ich möglicherweise wieder ein Machtwort sprechen – aber nur, um dich zu schützen.
Bill: Ja, toll! Es ist wirklich ein Supergefühl zu wissen, daß ich so dumm bin, daß du deine Macht demonstrieren mußt, um mich vor mir selbst zu schützen!
Vater: (Verliert den Kontakt mit seinen Bedürfnissen, sagt still: „Mannomann, manchmal könnte ich ihn einfach umbringen, den kleinen ... Ich bin so sauer, wenn er so was sagt! Es sieht wirklich nicht so aus, als ob er sich überhaupt Gedanken macht ... Verdammt noch mal, was brauche ich jetzt? Wenn ich mich so sehr bemühe, dann möchte ich wissen, ob das für ihn überhaupt eine Bedeutung hat.)
(Laut und ärgerlich.) Weißt du, Bill, wenn du so etwas sagst, dann reicht es mir wirklich. Ich gebe mir soviel Mühe, an der Sache dranzubleiben mit dir, und wenn ich so etwas höre ... Schau mal, mir ist es wichtig, von dir zu erfahren, ob du überhaupt noch weiter mit mir sprechen willst.
Bill: Ist mir doch egal.
Vater: Bill, ich möchte dir wirklich gerne zuhören, statt wieder in meine alten Gewohnheiten zu verfallen und dir Vorwürfe zu machen und zu drohen, wenn mich etwas aufregt. Aber wenn ich dich so was sagen höre wie: „Es ist ein tolles Gefühl zu wissen, wie dumm
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