Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
Dinge gesagt habe.
Teilnehmerin: Hoffnungsvoll und erleichtert.
MBR: Und jetzt möchte ich gerne wissen, welche Bedürfnisse sich für dich dadurch erfüllt haben, daß ich die beiden Dinge gesagt habe.
Teilnehmerin: Ich habe einen achtzehnjährigen Sohn, mit dem ich nicht mehr kommunizieren kann. Ich hatte verzweifelt nach einer Richtung gesucht, die mir helfen könnte, liebevoller mit ihm umzugehen, und die beiden Dinge, die du gesagt hast, haben mir die Orientierung gegeben, nach der ich gesucht habe.
Nachdem ich alle drei Informationen gehört hatte – was ich gemacht hatte, wie sie sich fühlte, und welche ihrer Bedürfnisse sich erfüllt hatten –, konnte ich die Wertschätzung mit ihr feiern. Wenn sie ihre Anerkennung gleich in der GFK ausgedrückt hätte, dann hätte das z.B. so klingen können: „Marshall, als du diese beiden Dinge (zeigt mir ihre Notizen) gesagt hast, habe ich mich sehr hoffnungsvoll und erleichtert gefühlt, weil ich nach einer Möglichkeit des Kontakts mit meinem Sohn gesucht habe, und das hat mir die Orientierung gegeben, die ich brauchte.“
Wertschätzung annehmen
Viele von uns nehmen Wertschätzung wenig liebenswürdig entgegen. Es nagt an uns, ob wir sie überhaupt verdienen. Wir machen uns Sorgen darüber, was von uns erwartet wird – besonders wenn wir Lehrer oder Vorgesetzte haben, die Anerkennung einsetzen, um uns anzuspornen und um die Produktivität zu steigern. Oder wir setzen uns mit dem Gedanken unter Druck, ob wir der Wertschätzung überhaupt gerecht werden können. Wir sind in einer Kultur zu Hause, wo Kaufen, Geld verdienen und der persönliche Wert auf einer Stufe stehen und das alltägliche Kommunikationsmuster im wesentlichen ausmachen. Deshalb fühlen wir uns oft unwohl, wenn es darum geht, einfach nur zu geben und zu nehmen.
Die GFK ermutigt uns, Anerkennung mit der gleichen Qualität an Empathie aufzunehmen, die wir auch zum Ausdruck bringen, wenn wir den Worten anderer zuhören. Wir hören auf das, was wir gemacht haben, womit wir zum Wohlbefinden anderer beitragen; wir hören auf ihre Gefühle und auf ihre Bedürfnisse, die sich erfüllt haben. Wir lassen die freudige Wahrheit, daß jeder von uns die Lebensqualität seiner Mitmenschen steigern kann, in unser Herz fließen.
Wertschätzung liebenswürdig anzunehmen habe ich von meinem Freund Nafez Assailey gelernt. Er gehörte zu einem palästinensischen Team, das ich zu einem GFK-Training in die Schweiz eingeladen hatte. Das war zu einer Zeit, wo offizielle Sicherheitsmaßnahmen ein Training von gemischten israelisch-palästinensischen Gruppen im eigenen Land unmöglich machten. Am Ende des Workshops kam Nafez zu mir. „Dieses Training wird sich in der Friedensarbeit in unserem Land als sehr wertvoll erweisen“, bestätigte er. „Ich möchte dir gerne auf eine Weise danken, wie wir Sufi-Moslems es tun, wenn wir unsere besondere Wertschätzung für etwas ausdrücken.“ Er hakte seinen Daumen in meinen ein, schaute mir in die Augen und sagte: „Ich küsse den Gott in dir, der dir erlaubt, uns das zu geben, was du uns gegeben hast.“ Dann küßte er meine Hand.
Nafezs Ausdruck seiner Dankbarkeit zeigte mir eine neue Art, Wertschätzung anzunehmen. Normalerweise nimmt man sie von einer oder beiden Seiten derselben Medaille aus an. Auf der einen Seite steht die Selbstüberschätzung: Wir halten uns für etwas Besseres, weil wir Anerkennung bekommen haben. Die Kehrseite ist die falsche Bescheidenheit, die die Bedeutung der Anerkennung leugnet, indem sie sie abschüttelt: „Ach, das war doch gar nichts.“ Nafez zeigte mir, daß ich Wertschätzung freudig annehmen kann in dem Bewußtsein, daß Gott allen Menschen die Kraft gegeben hat, das Leben ihrer Mitmenschen zu bereichern. Wenn ich mir darüber bewußt bin, daß es die Macht Gottes ist, die durch mich wirkt und mir die Macht verleiht, das Leben anderer zu verschönern, dann kann ich sowohl die Fallstricke „Selbstüberschätzung“ als auch „falsche Bescheidenheit“ umgehen.
Nimm Anerkennung ohne Gefühle von Selbstüberschätzung oder falscher Demut an.
Als Golda Meir Premierministerin in Israel war, wies sie einmal einen ihrer Minister zurecht: „Seien Sie nicht so bescheiden, so großartig sind Sie nun auch wieder nicht.“ Die folgenden Zeilen der zeitgenössischen Schriftstellerin Marianne Williamson dienen als weitere Gedächtnisstütze, um nicht der falschen Bescheidenheit auf den Leim zu gehen:
Unsere tiefste Angst ist nicht,
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