Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
unzulänglich zu sein. Unsere tiefste Angst besteht darin, grenzenlos kraftvoll zu sein.
Es ist unser Licht, das wir fürchten, nicht unsere Dunkelheit. Du bist ein Kind Gottes. Wenn du dich klein machst, hat die Welt nichts von dir.
Zusammenzuschrumpfen, nur damit sich andere in unserer Gesellschaft nicht unsicher fühlen, hat nichts mit Erleuchtung zu tun.
Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes in der Welt zum Ausdruck zu bringen. Diese Herrlichkeit ist nicht nur in manchen Menschen – wir alle haben sie.
Und wenn wir unser Licht strahlen lassen, dann geben wir unbewußt auch allen anderen Menschen die Erlaubnis, ihr Licht strahlen zu lassen.
Wenn wir von Angst befreit sind, wird unsere Gegenwart automatisch auch auf andere Menschen befreiend wirken.
Der Hunger nach Anerkennung
Auch wenn es sich ungemütlich anfühlt, wenn uns jemand seine Wertschätzung ausdrückt, verlangt es uns paradoxerweise alle dringend danach, wirklich gesehen und auch anerkannt zu werden. Bei einer Überraschungsparty für mich schlug ein zwölfjähriger Freund ein Partyspiel vor, damit sich die Gäste leichter kennenlernen konnten. Wir sollten eine Frage aufschreiben, den Zettel in eine Schachtel tun und dann abwechselnd jeder eine Frage ziehen und laut darauf antworten.
Erst vor kurzem hatte ich verschiedene Sozialämter und Wirtschaftsorganisationen beraten, und ich war sehr erstaunt darüber, wie oft die Leute ihren Hunger nach Anerkennung in ihrer Arbeit zum Ausdruck gebracht hatten. „Egal wie du dich bei deiner Arbeit einsetzt“, stöhnten sie, „von keinem hörst du mal ein lobendes Wort. Aber du brauchst nur einen Fehler zu machen, sofort läßt dich jemand über die Klinge springen.“ Für das Spiel schrieb ich also die Frage auf: „Was könnte dir jemand als Anerkennung sagen, das dich vor Freude einen Luftsprung machen läßt?“
Eine Frau zog meine Frage aus der Schachtel, las sie und brach in Tränen aus. Als Leiterin eines Hauses für geschlagene Frauen steckte sie jeden Monat viel Energie in die Erstellung eines Zeitplans, um so vielen Leuten wie möglich entgegenzukommen. Aber jedesmal, wenn der Plan vorgestellt wurde, gab es mindestens zwei, drei Leute, die sich beschwerten. Sie konnte sich nicht erinnern, daß sie jemals ein Wort der Anerkennung für ihre Bemühungen, einen fairen Plan zu erstellen, gehört hätte. All das war ihr durch den Kopf geschossen, als sie meine Frage las, und ihr Hunger nach Anerkennung brachte sie zum Weinen.
Als er die Geschichte der Frau hörte, sagte ein anderer Freund, daß er auch gerne diese Frage beantworten wollte. Dann wollte jeder die Frage beantworten; verschiedene Leute weinten, als sie etwas zu der Frage sagten.
Auch wenn der starke Wunsch nach Anerkennung – im Gegensatz zu manipulativen Streicheleinheiten – besonders am Arbeitsplatz deutlich wird, beeinflußt er doch auch das Familienleben. Eines Abends, als ich meinen Sohn darauf hinwies, daß er seine Aufgaben im Haus nur schlecht erledigt hatte, erwiderte er scharf: „Papa, merkst du eigentlich, wie oft du etwas ansprichst, das schiefgelaufen ist, und wie du fast nie sagst, daß etwas gut gelaufen ist?“ Diese Beobachtung blieb mir immer im Gedächtnis. Mir wurde klar, wie ich immer auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten war, und kaum mal eine Pause machte, um mich über die Sachen zu freuen, die gut liefen. Ich hatte gerade einen Workshop mit über 100 Teilnehmern abgeschlossen, die ihn alle sehr positiv bewertet hatten, mit Ausnahme einer Person. Und was beschäftigte mich? Die Unzufriedenheit dieser einen Person.
An diesem Abend schrieb ich ein Lied, das so begann:
Wenn ich in allem, was ich tue,
zu achtundneunzig Prozent perfekt bin,
dann sind es die zwei Prozent,
die mir nicht gelungen sind,
an die ich mich hinterher erinnern werde.
Es kam mir in den Sinn, daß ich die Möglichkeit hatte, mir statt dessen die Sichtweise einer Lehrerin anzueignen, die ich kannte. Einer ihrer Schüler, der für eine Prüfung nicht gelernt hatte, fand sich damit ab, ein leeres Blatt mit seinem Namen abzugeben. Er staunte, als sie ihm später die Arbeit mit einem Ergebnis von plus 14 % zurückgab. „Wofür habe ich 14 % bekommen?“ fragte er ungläubig. „Für Freundlichkeit“, erwiderte sie. Seit dem „Weckruf“ meines Sohnes Brett versuche ich mehr darauf zu achten, was andere um mich herum tun, das mein Leben bereichert, und ich feile auch an meinen Fähigkeiten, die Anerkennung dafür
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