Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
ist oft ein Zeichen dafür, daß man die Empathie bekommen hat, die man brauchte, und sich jetzt etwas anderem als dem Schmerz, den man ausgedrückt hat, zuwenden kann. Manchmal ist dann auch die Bereitschaft da, die Gefühle und Bedürfnisse von jemand anderem zu hören. Manchmal wird aber auch noch eine weitere Runde Empathie gebraucht, um einem anderen schmerzlichen Bereich im Inneren beizustehen. In der Situation mit Iris konnte ich sehen, daß noch ein anderer Teil von ihr Aufmerksamkeit brauchte, bevor sie Leav würde hören können. Das liegt vielleicht daran, daß Iris sechs Jahre Zeit hatte, sich dafür niederzumachen, daß sie damals, direkt in der Situation, keine eindrucksvolle Erwiderung parat gehabt hatte. Nach der feinen Veränderung machte sie sofort weiter.
Iris: Verdammt, das hätte ich ihr alles vor sechs Jahren sagen sollen!
Ich: (als ich selbst, ein einfühlsamer Freund) Bist du frustriert, weil du dir wünschst, du hättest dich damals besser artikulieren können?
Iris: Ich fühle mich wie ein Idiot! Ich wußte, daß ich keine „brave, kleine Bibliothekarin“ bin, aber warum habe ich ihr das nicht gesagt?
Ich: Wünschst du dir, du wärst mehr in Kontakt mit dir selbst gewesen und hättest das sagen können?
Iris: Ja. Und ich ärgere mich auch über mich selbst! Hätte ich mich doch von ihr bloß nicht so herumkommandieren lassen.
Ich: Wärst du gerne selbstbewußter aufgetreten, als du es getan hast?
Iris: Ja, genau, ich muß daran denken, daß ich ein Recht habe aufzustehen und für mich einzutreten.
Iris ist einen Moment lang still. Sie drückt ihre Bereitschaft aus, die GFK auszuprobieren und auf andere Weise zu hören, was Leav zu ihr gesagt hat.
Ich: (als Leav) Iris, ich kann Leute wie dich nicht ausstehen, immer so nett und süß, auf ewig die kleine, brave Bibliothekarin.
Iris: (Hört auf Leavs Gefühle, Bedürfnisse und Bitten.) Ja, Leav, das hört sich für mich so an, als wärst du sehr frustriert ... frustriert, weil ... weil ich ... (Hier ertappt sie sich selbst bei einem häufig vorkommenden „Fehler“. Mit dem Wort „ich“ schreibt sie sich die Verantwortung für Leavs Gefühl selbst zu, statt es mit einem von Leavs eigenen Wünschen, der dieses Gefühl verursacht, zu verbinden, wie z.B. statt: „Bist du frustriert, weil ich so und so bin,“ eher: „Bist du frustriert, weil du von mir etwas anderes wolltest?“) (Sie versucht es noch mal.) Also, Leav, das klingt so, als wärst du echt frustriert, weil du gerne hättest ... mmh ... weil du gerne möchtest ...
Da ich mich in meiner Rolle als Leav richtig mit ihr identifizierte, hatte ich plötzlich eine Eingebung, wonach ich mich sehnte: „Kontakt! ... Das ist es, was ich möchte! Ich möchte mich verbunden fühlen ... mit dir, Iris! Und ich bin so frustriert von dem ganzen Netten und Süßen, das mir im Weg steht, daß ich am liebsten alles niederreißen würde, um mit dir richtig in Kontakt zu kommen!“
Nach diesem Ausbruch saßen wir da wie vom Donner gerührt, und dann sagte Iris: „Wenn ich gewußt hätte, daß es das ist, was sie will; wenn sie mir hätte sagen können, daß sie auf einen echten Kontakt mit mir aus war ... Meine Güte, das fühlt sich fast herzlich an.“ Auch wenn Iris nie mehr der echten Leav begegnete, um ihre Einsicht zu überprüfen, konnte sie nach dieser Sitzung den nagenden Konflikt in ihrem Inneren lösen. Es war dann auch einfacher für sie, mit diesem neuen Bewußtsein jemanden etwas sagen zu hören, das sie zuvor vielleicht als „Niedermachen“ interpretiert hätte.
|13| Wertschätzung und Anerkennung ausdrücken in Gewaltfreier Kommunikation
Je mehr Sie zum Kenner der Dankbarkeit werden, desto weniger sind Sie Opfer von Ärger, Depression und Verzweiflung. Dankbarkeit wird zu einem Elixier, das die harte Schale unseres Egos – unseren Wunsch zu besitzen und zu kontrollieren – langsam auflöst und Sie zu einem großzügigen Wesen werden läßt. Der Sinn für Dankbarkeit bringt echte spirituelle Alchemie hervor, öffnet unser Herz – und macht unsere Seele weit.
– Sam Keen
Die Absicht hinter der Anerkennung
„Sie haben bei diesem Bericht gute Arbeit geleistet.“
„Sie sind ein sehr sensibler Mensch.“
„Es war nett von Ihnen, daß Sie mir gestern abend angeboten haben, mich nach Hause zu fahren.“
So drückt man normalerweise Anerkennung in einem lebensentfremdenden Sprachstil aus. Vielleicht überrascht es Sie, daß ich Lob und Komplimente als
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