Gewitter der Liebe
gefielen.
Zu Julias Freude würde Lillys Saloon nicht billig wirken, wie man es von anderen Etablissements kannte. Die Farben waren dezent und das Mobiliar aus teurem Edelholz, denn dieser Saloon sollte etwas Besonderes werden.
Bevor die Möbel geliefert wurden, reinigten die beiden Frauen den Holzfußboden gründlich. Plötzlich hielt Lilly inne und sagte: »Ich habe da einen Verdacht …«
Julia, die am Boden kniete, ließ das Scheuertuch sinken und bedachte ihre Freundin mit einem fragenden Blick.
»Ich glaube, Nathan liebt dich«, platzte es aus Lilly heraus, was Julia zum Lachen brachte.
»Wie kommst du darauf? Wir hegen nur freundschaftliche Gefühle füreinander.«
Lilly rutschte zu ihr hinüber. »Das glaubst du. Immer, wenn ich Nathan heimlich beobachte, fällt mir auf, wie er dich ansieht.«
»Wie sieht er mich denn an?«, fragte Julia begriffsstutzig. »Ich habe nichts bemerkt.«
»Er blickt dich mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Romantik an – so wie ein Mann eine Frau ansieht, die er liebt. Natürlich merkst du nichts, weil er sofort wieder seine normale Miene aufsetzt, wenn du zu ihm blickst.«
Diese Neuigkeit machte Julia sprachlos. Wenn es stimmte, was Lilly behauptete, würde sie sich noch schuldiger fühlen als bisher, denn sie konnte seine Gefühle nicht erwidern.
»Er hat nie … irgendwelche Andeutungen gemacht«, stammelte sie verwirrt und tauchte das Scheuertuch in den Zinkeimer neben sich. »Ich hätte das doch längst merken müssen.«
»Nathan kann sich gut verstellen, und natürlich würde er dir gegenüber niemals einen Ton über seine wahren Gefühle erwähnen. Also lass ihn am besten in dem Glauben, dass du ahnungslos bist.«
Gedankenverloren schrubbte Julia weiter, obwohl die Holzdielen bereits sauber waren. Wie sollte sie damit leben, dass der Mann, von dem sie angenommen hatte, er hätte sie aus Ehrgefühl geheiratet hatte, sie in Wahrheit liebte? Lilla hätte ihr das nicht verraten dürfen, aber nun hatte sie es getan und Julia musste damit leben.
Von nun an beobachtete sie Nathan oft, doch in ihren Augen verhielt er sich wie immer – wie der gute Freund, den Julia so schätzte.
Die Eröffnung des Wild Cat stand kurz bevor. Lilly hatte diesen Namen für ihren Saloon ausgesucht, obwohl er etwas verrucht klang. Auch dort würde es ein Hinterzimmer mit runden Pokertischen geben und Alkohol jeglicher Art – aber außer den Mädchen, die die Gäste zum Trinken animieren sollten, würde es keine weiteren weiblichen Angestellten geben, vor allem keine Huren. In diesen Saloon sollten die Männer auch mal ihre Ehefrauen mitbringen können, um mit ihnen eine Flasche Wein zu trinken – und Julia war davon überzeugt, dass dem Wild Cat großer Erfolg bevorstand.
Natürlich waren auch Nathan und sie zur Eröffnungsfeier eingeladen; zu diesem Zweck hatte sich Julia ein neues Kleid genäht – nicht solch ein einfaches Kleid aus billigem Wollstoff, sondern eines aus edlem blauem Glanzstoff mit weitem Rock und schwarzer Spitzenverzierung. Miss Hopper hatte bei der Anfertigung geholfen, und als Julia sich darin im Spiegel sah, war sie verblüfft, was man aus Stoff und etwas Spitze alles machen konnte.
Auch Nathan war beeindruckt, als Julia in ihrer Robe die Treppe herunterkam. Wie schön sie doch war! Am liebsten hätte er sie an sich gezogen und ihr gestanden, wie sehr er sie liebte, aber damit hätte er ihr Vertrauen in seine gute Seele zerstört.
Daher machte er ihr nur ein Kompliment, verneigte sich leicht und bot Julia seinen Arm. Mrs Garland hatte den kleinen Joseph über Nacht zu sich genommen, sie fühlte sich bereits als seine Großmutter und war so stolz auf den Knirps wie eine richtige Großmutter.
Nathan lenkte die leichte Kutsche selbst, bestand jedoch darauf, dass Julia im Inneren Platz nahm. Flüchtig dachte sie daran, was Ross wohl sagen würde, wenn er sie in dieser ungewohnten Aufmachung sehen würde. Ärgerlich über ihre Gedanken, sagte sie sich, dass er sie längst vergessen hatte und es ihm völlig gleichgültig war, wie sie aussah.
Bis zum Wild Cat war es kaum eine Meile weit, und als sie eintrafen, standen am Straßenrand schon zahlreiche andere Kutschen.
Unzählige kleine Kerzen hinter bunten Glaskuppeln umrahmten den Eingang und die Fenster zur Straßenseite; über der breiten Tür war der Name des Etablissements in geschwungenen goldenen Lettern geschrieben. Alles sah gediegen aus und unterschied sich von den anderen Saloons mit ihrer
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