Gewitter der Liebe
übertriebenen grellen Ausschmückung.
Nathan hatte das Haus nur im Rohbau gesehen und war erstaunt, was daraus geworden war.
»So einen guten Geschmack habe ich Lilly gar nicht zugetraut«, flüsterte Nathan Julia augenzwinkernd zu, als sie gemeinsam die Stufen hochstiegen, was ihm ein unterdrücktes Kichern einbrachte.
»Ich habe ihr bei der Auswahl geholfen«, wisperte Julia zurück. »Aber sie war mit meinen Vorschlägen sehr zufrieden und hat sie begeistert aufgenommen.«
Drinnen war es bereits brechend voll, doch Lilly erkannte das Paar sofort und nahm es in Empfang. »Ich habe einen Tisch für euch reserviert; dort am Fenster, da könnt ihr alles bestens übersehen. Nun, was sagst du, Nathan?«
»Ich bin beeindruckt«, gab er ehrlich zurück. »Dein Saloon macht nicht den Eindruck, als würde er ein Paradies für Falschspieler und Freudenmädchen werden.«
»Beide will ich hier nicht sehen.« Lilly zeigte auf einen jungen Mann mit schmalem Oberlippenbart und gepflegtem dunklem Haar, der sich an der Theke mit einigen Gästen angeregt unterhielt »Das ist Ted, mein Klavierspieler. Er ist erst gestern mit dem Schiff eingetroffen, in allerletzter Minute. Ohne ihn würde es heute keine Musik geben.«
Die beiden Männer, die an der Theke arbeiteten sowie die drei Mädchen, die Lilly zum Servieren eingestellt hatte, kannte Julia bereits. Dieser Ted machte den Eindruck, als könnte er ein großes Publikum mit seinen Darbietungen in Stimmung bringen.
Und tatsächlich, als er sich ans Klavier setzte und die ersten Stimmungslieder zum Besten gab, begannen einige Gäste mitzusingen und ihre Gläser zu heben.
Lilly sah bezaubernd aus in ihrem dunkelgrünen, weit schwingenden Kleid, auch wenn das Dekolleté für Julias Geschmack etwas zu tief war.
»Sie hat sich ihren Lebenstraum erfüllt«, sagte Nathan voller Respekt. »Mit viel Willen und Ausdauer – wenn auch nicht immer auf ehrbare Art und Weise – hat sie das erreicht, was sie sich vorgenommen hat.«
»Du hast es auch geschafft, Nathan«, Julia hob ihr Champagnerglas, »zwischen all den vielen Menschen, die es nicht geschafft haben.«
Er prostete ihr lächelnd zu. »Und du wirst es auch schaffen.«
»Aber nicht ohne fremde Hilfe wie ihr beiden.«
»Unsinn, ich habe nur den Verkauf deines Grundstückes eingeleitet, mehr nicht. Erinnerst du dich noch daran, als wir herkamen und ich an mir zweifelte, weil ich nur ein Bein habe? Dein Zuspruch damals hat mir sehr geholfen.«
»Ich habe immer an dich geglaubt«, sagte sie leise. An Ross hatte sie auch immer geglaubt, doch bei ihm hatte sie ihre Menschenkenntnis getrogen. »Dieser Ted macht einen sympathischen Eindruck, findest du nicht?«
Mit einem leisen Anflug von Eifersucht fragte er: »Gefällt er dir etwa?«
»Ich dachte da eher an Lilly.« Sie hatte bemerkt, dass die Freundin ihren Klavierspieler gelegentlich mit einem Blick taxierte, der nicht viel mit dem Verhältnis zwischen Chefin und Angestelltem zu tun hatte.
»Bevor sie sich bindet, geht die Welt unter«, vermutete Nathan und goss Champagner nach.
Bald konnte Julia auf eigene Faust die ersten Kleider in Miss Hoppers Modesalon nähen, und sie bewies viel Talent dabei. Das Arbeiten mit der Nähmaschine brachte große Erleichterung, und Julia konnte bald gut damit umgehen; nur für ganz feine Säume und Nähte benutzte sie noch die Nähnadel.
Nach wie vor geisterte Ross in Julias Gedanken herum – an ihn zu denken tat zwar nicht mehr ganz so weh wie am Anfang, war jedoch, acht Monate später, noch immer schlimm. Dass Nathan sie möglicherweise liebte, verdrängte sie und hoffte, dass Lilly sich getäuscht hatte, damit sie ihr eigenes Gewissen erleichtern konnte. Sie glaubte, niemals wieder lieben zu können – Ross war ihre große Liebe und würde es immer bleiben.
Dennoch versuchte Julia, ihrem Leben so viel Freude wie möglich abzugewinnen, und da war ihr kleiner Sohn, der gesund war und die ersten selbstständigen Schritte machte.
Als Nathan sie einmal fragte, ob sie dem Jungen später erzählen wolle, wer sein wahrer Vater sei, zögerte Julia. Joseph hatte zwar ein Recht darauf, aber sie war sich nicht sicher, ob nicht eine Welt für ihn zusammenbrechen würde, wenn er erführe, dass Nathan nicht sein richtiger Vater war, sondern ein Fremder, der ihn und seine Mutter schmählich im Stich gelassen hatte. Darüber konnte sich Julia später noch Gedanken machen, wenn der Junge alt genug für die Wahrheit war.
Noch immer bewohnte Julia
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