Gewitter der Liebe
eigenes Geschäft haben – und auch wenn es sich um eine etwas frivole Branche handelt, so kann ich viel Geld damit verdienen, während du ein Kind nach dem anderen zur Welt bringst.«
Julia nahm ihr die Offenheit nicht übel; sich Lilly als liebende Ehefrau und Mutter vorzustellen, war so absurd, dass sich Julia das Lachen verkneifen musste.
»Und was ist, wenn du dich mal richtig in einen Mann verliebst, der aber nichts von dir wissen will, weil du in diesem Gewerbe arbeitest?«
Gelangweilt zuckte Lilly mit den Schultern. »Entweder er liebt mich so, wie ich bin, oder gar nicht.«
Dagegen wusste Julia nichts einzuwenden.
»Hast du schon unser neues Haus gesehen?«, fragte sie stolz, als sie Kaffeetassen und Kuchenteller auf den Tisch stellte. »Im Sommer können wir wohl einziehen … wenn Ross erfolgreich bei der Goldsuche ist.«
»Scheint nicht mehr so üppig zu sein wie noch letztes Jahr.« Lilly gab einen Schuss Milch in ihren Kaffee und rührte ihn um. »Ich merke das auch am Umsatz. Die Männer sind nicht mehr so großzügig, einige wollen weiter nach Sacramento ziehen, da soll es weitere Goldvorkommen geben.«
Julia setzte sich gedankenverloren zu ihr. »Und noch immer treffen täglich neue Männer sein. Ross klagte bei seinem letzten Aufenthalt bereits, dass nicht genug für alle da sein soll.«
»Ich hörte, dass diesen Herbst ein weiterer Treck San Francisco erreichen will.«
»Auf demselben Weg, den wir gekommen sind?«
Lilly nickte. »Und es werden weitere folgen. Ungefähr sechshundert Meilen von hier entfernt befindet sich ein Dörfchen namens Los Angeles, einst von Mexikanern gegründet. Man sagt, es gibt einen Überlandweg dorthin und dann entlang der Küste bis nach San Francisco, das soll weniger beschwerlich sein als die Durchquerung der Sierra Nevada.«
»Was du alles weißt«, staunte Julia.
»Das bringt mein Beruf mit sich. Und ich weiß sogar noch mehr: Erinnerst du dich an Mrs Eliza Farnham, die Lady, die letztes Jahr die Heimnäherinnen in New York aufgerufen hatte, nach Kalifornien zu gehen?«
Natürlich erinnerte sich Julia. »Du gabst mir ein Rundschreiben mit ihrem Aufruf, sich zu melden.«
»Genau! Ich beneidete diese Frauen, die mit Mrs Farnham gehen sollten, und da kam mir die Idee, ebenfalls nach Kalifornien zu gehen. Also, die Reise wurde kurzfristig abgesagt, weil Mrs Farnham krank wurde. Als sie wieder genesen war, war das Schiff längst ausgelaufen. Doch nun sagt man, dass sie mit ihren Kindern demnächst nach San Francisco kommen will, um für sie das Erbe ihres gestorbenen Mannes zu sichern. Mr Farnham lebte hier eine Weile, und er ließ kein gutes Wort über Kalifornien fallen; trotzdem blieb er und erwarb Land. Dann starb er überraschend, ohne jemals seine Familie wiedergesehen zu haben.«
»Diese selbstlose Frau würde ich gern einmal kennenlernen«, sagte Julia spontan. »Vielleicht habe ich die Möglichkeit dazu. Woher hast du diese Neuigkeiten?«
»Von einem Gast. Wie du siehst, verdiene ich mein Geld oft nur durch Zuhören und ein anteilnehmendes Lächeln – obwohl die meisten Männer bei mir ihre Einsamkeit beklagen und einen Whiskey nach dem anderen bestellen. Probier diesen Schokoladenkuchen, er ist einfach köstlich.« Dann glitt Lillys Blick zu den Stoffstücken, die sich auf einem Stuhl häuften. »Was hast du eigentlich damit vor?«
Julia folgte ihrem Blick. »Gardinen nähen. Stell dir vor, in dem neuen Haus gibt es zehn Fenster!«
»Solltest du dir selbst nicht auch mal etwas gönnen?«
»Was meinst du damit?«
»Du bist hübsch und hast eine gute Figur. Eine neue Garderobe würde dir ausgezeichnet stehen, Julia. Im Zentrum gibt es für jeden Geschmack und Geldbeutel wunderschöne Kleidung – und Ross würde sich bestimmt freuen, wenn er dich mal in etwas Neuem sehen würde.«
In diesem Punkt musste Julia ihr Recht geben. Seit ihrer Ankunft in Kalifornien hatte sie sich nur eine neue Bluse und zwei Röcke zugelegt – aus billigem Stoff selbst genäht.
»Wir könnten gelegentlich einen Einkaufsbummel machen«, schlug Lilly vor. »Es müssen ja nicht so auffällige Kleider sein, wie ich sie trage.«
Julia wusste nicht, was die Freundin im Saloon trug, aber ihre Ausgehgarderobe war schon etwas auffällig – nicht aufreizend und weit ausgeschnitten, aber in kräftigen Farben, die alle Blicke anzogen. Julia zog eher gedeckte Farben vor, aber warum nicht mal etwas kaufen, das aus dem Rahmen fiel.
Also sagte sie zu, allerdings mit
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