Gewitter der Liebe
denn jetzt tun?«, fragte Lilly mit weinerlicher Stimme. »Ich kann mich doch unmöglich bis an mein Lebensende verstecken. Zeigt mich Bill an, wandere ich ins Gefängnis und kann meinen Traum vom eigenen Saloon für immer begraben.«
»Halt erst einmal die Augen offen«, schlug Julia vor. Sie hatte diesen Bill nie gesehen und konnte daher die Freundin nicht warnen, wenn sie ihn auf der Straße sehen sollte. »Er war ziemlich betrunken, hast du gesagt; möglicherweise erinnert er sich nicht mehr an dich.«
»Als er mich an seinen Tisch bat, wirkte er noch ziemlich nüchtern«, kam es kläglich zurück. »Erst später wurde er betrunken und …«
»Wenn er es tatsächlich war und dich anzeigen sollte – einem Spieler glaubt so schnell kein Gericht«, versuchte Julia sie zu trösten. »Falls du ihn noch einmal siehst, sage es mir, dann müssen wir uns etwas einfallen lassen.«
Mit einer Umarmung verabschiedeten sie sich, und während Julia zur Pension eilte, zerbrach sie sich den Kopf darüber, wie sie Lilly helfen konnte. Nathan hätte vielleicht einen Vorschlag, aber Lilly würde nicht wollen, dass er von Bill erfuhr.
Beide Frauen entspannten sich, als der Mann zunächst nicht mehr auftauchte. Ross kam mit magerer Ausbeute zurück; er war nicht besonders gut gelaunt und bemerkte noch nicht einmal Julia neues hübsches Sommerkleid.
Von seinem Goldfund kaufte Ross Holzdielen für die Wohnräume des neuen Hauses, die er gemeinsam mit den Hofman-Brüdern eigenhändig verlegte, um das Geld für Handwerker zu sparen. Aber richtige Freude schien er an dem neuen Heim nicht mehr zu haben. Julia hatte alle Mühe, sich einzureden, dass seine Unzufriedenheit nur vorübergehend sei und nach dem Umzug verfliegen würde.
10
Manchmal war Ross unerträglich. Zwar ließ er nicht direkt an Julia seine schlechte Laune aus, doch er war oft mürrisch und wortkarg. Nur seine zärtlichen Umarmungen waren gewohnt leidenschaftlich, sodass Julia nur für die gemeinsamen Nächten lebte.
Diesmal blieb er fast einen ganzen Monat, wegen der Arbeiten am Haus. Gelegentlich zog es ihn abends in eine Bar, aber er war meistens nüchtern, wenn er heimkam.
»Eigentlich ist das Leben ungerecht«, sagte er kurz vor der Rückkehr zu den Goldfeldern. »Sieh dir die prächtigen Villen an, die vor der Stadt entstehen, und die noblen Geschäfte. Unsereins muss hart für sein Geld arbeiten, anderen fliegen die gebratenen Tauben in den Mund.«
»Aber die meisten dieser Villenbesitzer sind Geschäftsmänner, die in San Francisco reich geworden sind, und keine Goldgräber«, erwiderte Julia, die ihm mit einer Näharbeit gegenüber saß. »Von den Leuten unseres Trecks ist noch keiner reich geworden.«
Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarre; das Rauchen hatte er sich im Lager angewöhnt. »Trotzdem ist es ungerecht, dass diese feinen Pinkel durch uns Goldsucher reich geworden sind. Nimm als Beispiel Nathan: Er war einst ein kleiner Krämer, und nun baut er sich bereits ein Steinhaus! Für einen fleißigen Arbeiter wie mich wird es nie zu solch einem teuren Haus reichen.«
»Ich finde unser neues Heim ganz entzückend und freue mich schon auf den Umzug im Sommer.«
»Vorausgesetzt, ich finde genügend Gold für eine anständige Einrichtung. Neulich war ich mal bei diesem Möbelgroßhändler auf der Main Street – der nimmt Horrorpreise! Als ich ihn darauf ansprach, schlug er mir frech vor, ich solle einen kleinen Schreiner beauftragen, mir ein paar grobe Holzmöbel anzufertigen, wenn ich zu geizig für eine vernünftige Ausstattung sei.«
»Nimm’s ihm nicht übel«, entgegnete Julia sanft. »Als Geschäftsmann muss er so handeln. Und einfache Holzmöbel tun es für den Anfang auch.«
Unvermittelt schlug er mit der Faust auf die Tischplatte, sodass Julia erschrocken zusammenzuckte. »Ich will aber keine einfachen Holzmöbel in meinem eigenen Haus haben! Verstehst du denn nicht, dass ich dir etwas bieten will? Meine zukünftige Frau soll stolz sein, wenn sie Gäste empfängt, und sich nicht wegen der ärmlichen Einrichtung schämen müssen.«
Abgesehen davon, dass Julias einzige Bekannten in San Francisco Lilly und Nathan waren, die ihr gelegentlich einen Besuch abstatteten, würde sie sich nicht scheuen, das neue Heim fremden Personen zu zeigen – auch ohne teure Mahagonimöbel.
Doch sie blieb stumm und beugte sich noch tiefer über ihre Arbeit.
»Entschuldige bitte«, sagte Ross zerknirscht. »Bitte nimm mir meine heftigen Worte nicht
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