Gewitter der Liebe
können.«
»Ross«, sie ließ den Löffel sinken, »ich muss keine teuren Möbel haben und auch keine Teppiche und Kristall-Leuchter an den Decken, ich …«
Er schnitt ihr das Wort mit einer energischen Handbewegung ab. »Davon will ich nichts mehr hören. Du hast es verdient, in einem gemütlichen Haus zu leben – und wenn ich genug Geld habe, musst du auch nicht mehr in dieser Pension arbeiten.«
Julia lag auf der Zunge, zu protestieren, denn sie arbeitete gern für Mrs Garland und verdiente obendrein gut. Doch sie entgegnete nichts, sondern lächelte Ross nur zärtlich an.
In dieser Nacht liebten sie sich lange und innig und schworen sich ewige Liebe. Und Julia träumte in Ross’ Armen, wie sie in einem langen weißen Kleid an seinem Arm die Stufen zur neu erbauten Kirche im Zentrum emporstieg.
Die ersten Tage, nachdem er gegangen war, fielen Julia am schwersten. Sie hatte sich daran gewöhnt, für ihn zu kochen und seine Wäsche in Ordnung zu halten, und all dies fehlte ihr nun wieder.
Die Sonne schien nun kräftiger und nahm den grauen Schleier des Winters von San Francisco, sodass die Häuser freundlicher wirkten und die Straßen weniger schmutzig. Im Zentrum hatte man damit begonnen, die größeren Straßen mit Kopfsteinpflaster zu belegen, was für Pferde und Fuhrwerke eine große Erleichterung darstellte. San Francisco wollte den großen Städten im Osten in nichts nachstehen, und jedermann war davon überzeugt, dass die Stadt eines Tages reich und berühmt sein würde.
Die elenden Hütten und schmuddeligen Zelte am Stadtrand waren verschwunden; man hatte sie abreißen lassen, weil sie das Stadtbild verschandelten. Aber da die meisten Goldsucher immer weiter nach Norden drängten, lebten sie ohnehin in den Lagern bei den Goldflüssen, die wie Pilze aus den Boden schossen.
Fast jeden Abend spazierte Julia zu dem neuen Haus, in dem inzwischen Fenster und Türen eingesetzt worden waren.
Die Innenwände mussten noch verputzt und die Fußböden verlegt werden, dann war alles bereit für den Einzug. An Nachbarn mangelte es nicht, die ganze Straße hinauf und hinunter entstanden inzwischen Wohnhäuser.
Um sich die freie Zeit zu vertreiben, kaufte Julia verschiedene Gardinenstoffe, um Vorhänge zu nähen. Das Warenangebot in San Francisco stand dem einer Großstadt wie New York in nichts nach – man bekam praktisch alles, was man sich wünschte. Die eintreffenden Handelsschiffe waren schwer beladen mit Gütern, nach denen die Bürger von San Francisco verlangten.
Am Sonntag musste Julia nicht arbeiten, und auch alle Geschäfte hatten geschlossen. Sogar in den Goldlagern ruhte sonntags die Arbeit … weil der Sonntag als heilig galt und zum Beten oder Kirchgang genutzt werden sollte. Aber die meisten Männer waren einfach froh, wenn sie einen Tag in der Woche ausruhen konnten.
Gerade hatte Julia den Stoff für mehrere Fenster zugeschnitten, als Lilly an die Tür klopfte. Sie brachte Kuchen von einer Konditorei mit, und Julia umarmte sie glücklich.
»Wir sehen uns neuerdings so selten«, sagte sie mir sanftem Vorwurf in der Stimme und zog die Freundin in die Küche.
Lilly nahm ihren Hut ab und setzte sich an den Tisch. »Wenn Ross hier ist, möchte ich nicht stören, das weißt du ja. Und da ich hörte, dass er wieder unterwegs ist, habe ich spontan etwas Torte besorgt, um dich zu überraschen.«
»Die Überraschung ist dir gelungen.« Julia räumte den Stoff beiseite und setzte Kaffeewasser auf. »Ich muss oft an dich und … deine Tätigkeit denken.«
»Mir geht es prächtig. Mit jedem Dollar, den ich bei der Bank einzahle, geht es mir besser. Das heißt nicht, dass ich mit jedem Mann mitgehe – das ist nur die Ausnahme, wenn mir einer gut gefällt.«
Lilly sprach so unbefangen über dieses Metier, dass Julia daran zweifelte. »Bist du sicher, dass es nur Ausnahmen sind? Du könntest krank werden, hast du daran schon einmal gedacht?«
»Du bist besorgt wie eine Mutter«, witzelte Lilly und streifte die feinen Lederhandschuhe von ihren Händen. »Du musst dir wirklich keine Sorgen um mich machen, ich fühle mich so gut wie noch nie zuvor in meinem Leben, denn ich habe ein Ziel.«
»Ach Lilly, ich habe doch auch ein Ziel! Aber trotzdem würde ich mich niemals so … wegwerfen, wie du es tust.«
Die Freundin warf ihr einen schrägen Blick zu. »Dein Ziel ist es, zu heiraten und einen ganzen Stall von Kinder großzuziehen, darin habe ich noch nie eine Erfüllung gesehen. Ich hingegen will mein
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