Gewitter der Liebe
Schultern. »Er ist ein toller Mann, das kann ich nicht verhehlen. Anfangs war ich sogar ein bisschen in ihn verliebt, aber als ich sah, dass er sich eher für Julia interessierte, habe ich mich zurückgezogen.«
»Ja, aber was hältst du von ihm?«, wiederholte Nathan seine Frage mit Nachdruck.
»Du meinst, von seinem Charakter?«
Nathan nickte ernst.
»Um ehrlich zu sein, dachte ich, er würde Julia nur ausnutzen, aber nun, da er ihr ein schönes Haus gebaut hat, glaube ich, mich in ihm getäuscht zu haben. Er mag ein Abenteurer sein, und ich bin nicht immer seiner Meinung, aber ich denke, aus ihm könnte ein ganz passabler Ehemann werden.«
Das bezweifelte Nathan, doch er schwieg.
»Er macht alles, um Julia glücklich zu machen. Sicher, ein ums andere Mal sah ich ihn im Red Carpet, da war er nicht bester Laune und ertränkte sie in Alkohol, aber dieses Verhalten kenne ich auch von anderen erfolglosen Goldsuchern.«
»Du glaubst also auch nicht, dass er ein riesiges Nugget findet, das ihn auf einen Schlag reicht macht?«
Lilly warf ihm einen nachsichtigen Seitenblick zu. »Das hoffen alle Goldsucher. Sie verließen ihre Familien, kamen mit großen Hoffnungen nach Kalifornien und träumten davon, als reiche Männer heimzukehren. Glaub mir, Nathan, solche Geschichten höre ich tagtäglich.«
»Und wenn sich die Träume all dieser Männer nicht erfüllen? Werden sie die Kraft haben, in ihre früheren Berufe zurückzugehen?«
»Vermutlich werden es einige tun, doch die meisten sind so fanatisch, dass sie weiterziehen werden, bis sie alt und grau sind und ihre Frauen sich längst neu verheiratet haben.«
Nathan lenkte die Kutsche auf die Main Street. »Dieses verdammte Gold zerstört sicher viele Ehen.«
»Es ist nicht das Gold, sondern die Sucht danach, welches zu finden«, widersprach Lilly, die durch die Gäste im Saloon ihre Erfahrungen gemacht hatte. »Einige sind so verzweifelt, dass sie am liebsten sofort wieder nach Hause gehen würden, aber sie können nicht. Sie glauben, etwas zu verpassen, wenn sie gehen, und dass jemand anderes an ihrer Stelle den großen Fund machen könnte.«
So hatte auch Ross reagiert, als er Julia Weihnachten allein gelassen hatte. Nathan hielt das Pferd direkt vor dem Red Carpet an, wie Lilly es gewollt hatte, und blickte ihr nach, wie sie leichtfüßig in der Gasse verschwand, die das Gebäude des Saloons und des Nebenhauses verband. Er wusste, dass sich die Außentreppe, die zu den Zimmern der Angestellten führte, auf der Rückseite des Hauses befand.
Bevor Nathan sein Pferd wendete, fiel ihm ein Mann vor den Saloon auf, der Lilly stirnrunzelnd nachstarrte. Er war gut gekleidet und schien ein Gast des Red Carpet zu sein. Dann schüttelte er den Kopf und ging weiter, da der Saloon noch geschlossen hatte.
Wieder brannte es in San Francisco. Auch wenn es sich diesmal nur um ein paar Lagerschuppen am Hafen handelte, versetzte der neuerliche Brandanschlag die Bürger in Panik.
Von der hinteren Veranda aus konnte Julia das Feuer sehen, die meterhohen Flammen, die den Nachthimmel erhellten. Auch Julia gehörte zu denen, die sich fürchteten – zwar waren bisher wie durch ein Wunder keine Menschen zu Schaden gekommen, doch die Geschädigten verloren oft alles, was sie besaßen.
Als der neue Tag anbrach, hatte die Feuerwehr den Brand gelöscht; erst dann legte sich Julia wieder zur Ruhe, obwohl sie nicht mehr einschlafen konnte.
Sie dachte an Nathan, der das Richtige tat und sich ein solides Steinhaus bauen ließ.
Wenn man doch die Brandstifter nur zu fassen bekäme! Die Polizei verfolgte alle Spuren, kam aber keinen Schritt weiter.
Unruhig wälzte sich Julia im Bett herum, und plötzlich vermisste sie Ross schrecklich. Wäre er hier, würde sie keine Angst haben und könnte ruhig schlafen.
Der neuerliche Brandanschlag sprach sich schnell in der Stadt herum. Man hatte in den Vormittagsstunden zwei Männer festgenommen, die zur Tatzeit am Hafen herumgelungert hatten. Doch sie hatten nichts mit dem Feuer zu tun, wie sich schnell herausstellte.
Abends, nach der Arbeit, suchte Julia Nathan auf, noch immer aufgelöst von den Ereignissen der Nacht. Diesmal war der Brand ganz in ihrer Nähe gewesen, sie hatte das Feuer mit eigenen Augen sehen können.
»Wenn das so weitergeht, liegt bald ganz San Francisco in Schutt und Asche«, sagte Nathan mit besorgter Miene. »Ich glaube, es handelt sich um eine ganze Bande, die sich einen Spaß daraus macht, die Bürger in Angst und
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