Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
mehr.”
“Kommen Sie, lassen Sie uns mal sehen, was da hinten los ist.” Er ergriff Annies Hand und führte sie durch die Menge zu einem Stand, vor dem sich eine Menschentraube gebildet hatte. Als sie die Bude erreichten, brach die Menge plötzlich in frenetischen Jubel aus. Kurz darauf bahnte sich ein Pärchen einen Weg durch die Menge. Dem jungen Mann wurde allerseits auf die Schultern geklopft, die Frau hielt strahlend einen riesigen Elch aus Plüsch wie eine Trophäe umklammert.
“Dosenwerfen”, erklärte Grey. “Sieht so aus, als hätte der gute Gunnar einen Volltreffer für sein Mädchen gelandet.” Er lächelte. “Was meinen Sie, sollen wir weitergehen und uns die Band ansehen? Sie spielt ziemlich gut, finden Sie nicht?”
“Das würde ich sehr gerne”, erwiderte sie fröhlich.
Gemeinsam kämpften sie sich den Weg zu der Band frei. Es war ein großer Platz, auf dem eine Bühne aufgebaut war und jede Menge Bänke und Tische standen. Annie erblickte eine Gruppe kleiner Mädchen, die in schneeweiße Kleidchen gehüllt waren und hübsche Blütenkränze im Haar trugen.
“Das sind die jüngsten Mitglieder der hiesigen Folkloregruppe”, erklärte Grey schmunzelnd. “Sieht so aus, als würde uns heute noch ein echter kultureller Leckerbissen bevorstehen. Das sollten Sie wirklich auf keinen Fall verpassen.”
Lächelnd betrachtete Annie die Mädchen, die aufgeregt miteinander tuschelten und lachten. “Nein, auf gar keinen Fall. Ich freue mich schon darauf.”
Sie betraten den Platz, und Grey ergatterte zwei Sitzplätze am Rande der Tanzfläche. Mit glänzenden Augen beobachtete Annie die Paare, die ungezwungen übers Parkett wirbelten. Wie wunderbar musste es sein, selbst ein Teil dieser ausgelassenen Stimmung zu sein. Leise Wehmut stieg in ihr auf. Noch nie in ihrem Leben hatte sie an einer solchen Tanzveranstaltung aktiv teilgenommen. Mit wem auch?
“Haben Sie vielleicht Lust zu tanzen?”
Es dauerte einen Moment, bis Annie begriff, dass diese Frage ihr galt. Sie blinzelte verblüfft, als sie Lasse Magnusson erblickte, den jungen Mann von der Reparaturwerkstatt. Ohne seine Arbeitskleidung hätte sie ihn beinahe nicht wiedererkannt.
“Oh, vielen Dank, Herr Magnusson”, erwiderte sie verlegen und mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen, “aber ich tanze nicht.”
“Aber das ist doch kein Problem, Miss Fielding. Ich würde es Ihnen mit Freuden beibringen. Es ist ganz einfach.”
“Ich weiß nicht.” Hilfe suchend blickte sie zu Grey, doch der starrte nur unbeteiligt geradeaus. Schließlich holte sie tief Luft und sagte: “Also gut, versuchen kann ich es ja wenigstens einmal.”
Magnusson führte sie auf die Tanzfläche. Er schien ebenso nervös zu sein wie sie. Unbeholfen legte er seine Arme um Annie und begann damit, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen. Zögernd folgte sie seinen Bewegungen, zunächst noch etwas steif, dann jedoch immer flüssiger. Das Lied endete, und die Kapelle stimmte ein schnelleres, noch schwungvolleres Stück an.
Annie lachte auf, als Lasse Magnusson sie über die Tanzfläche wirbelte. Die Welt um sie herum schien zu verschwimmen, und sie fühlte sich, als würde sie schweben. Es war einfach ein wunderbares Gefühl, unter freiem Himmel zu tanzen. So ist es also, sich zu amüsieren, dachte Annie lächelnd. Erstaunt stellte sie fest, dass es etwas war, nach dem sie süchtig werden könnte.
Der nächste Song begann. Ein langsames Lied, in dem viel Herzschmerz mitschwang. Ihr Tanzpartner zog sie dichter an sich heran. Obwohl sie Lasse Magnusson mochte, begann Annie, sich unbehaglich zu fühlen. Es fühlte sich einfach nicht richtig an, mit einem Mann zu einem Liebeslied zu tanzen, für den man nicht mehr als bloße Sympathie empfand. Vielleicht war es albern, so darüber zu denken, doch sie konnte nicht aus ihrer Haut.
Krampfhaft suchte sie nach einer Entschuldigung, um die Tanzfläche zu verlassen, als plötzlich Grey hinter Lasse Magnusson auftauchte und ihm leicht auf die Schulter tippte. “Darf ich?”
Annie war mehr als erstaunt. Vielleicht noch mehr als Lasse Magnusson, der ein wenig enttäuscht wirkte, aber schließlich das Weite suchte und Grey das Feld überließ. Der legte ihr wie selbstverständlich die Arme um ihre Taille. Als Annies Brüste seinen Oberkörper streiften, durchfuhr sie ein wohliges Kribbeln. Mühsam beherrscht schloss sie die Augen und bemühte sich, ihren rasenden Puls zu beruhigen.
Reiß dich zusammen, Annie Josephine
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