Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
Fielding! Du tust ja gerade so, als sei Grey der erste attraktive Mann, der dir so nahe kommt!
Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben, musste sie sich eingestehen, dass es genau so war. Annie war beileibe keine Jungfrau mehr, doch ihre Erfahrungen, was Männer betraf, hielten sich in Grenzen. Zudem hatte sie sich bisher stets nur auf solche eingelassen, die zu dem Bild der langweiligen grauen Maus passten, das ihre Umgebung von ihr zu haben schien.
Nicht im Traum hatte sie damit gerechnet, dass ein Mann wie Greyson sich auch nur im Entferntesten für sie interessieren könnte. Sie war nicht der Typ Frau, mit der sich der gut aussehende und weltgewandte Teil der männlichen Bevölkerung näher befasste. Und doch spürte sie jetzt Greys begehrliche Blicke. Konnte es wahr sein, dass …?
Es war wie im Traum. Wieder war ihr, als würde die Welt um sie herum verschwimmen. Und doch war es anders als mit Lasse Magnusson. Völlig anders. Überdeutlich spürte sie Greys Nähe. So deutlich, dass ihre Knie weich wurden und sie sich fester an ihn klammern musste, um nicht zu Boden zu sinken. Dieser Mann hatte eine gefährliche Macht über sie. Etwas, das ihr zugleich Angst einjagte und sie lustvoll erschaudern ließ.
Er ist dein Chef, schärfte sie sich ein. Vergiss das nicht!
Doch die mahnenden Worte ihrer inneren Stimme verhallten ungehört angesichts der betörenden Nähe dieses Mannes. Hätte er in diesem Moment einen Versuch unternommen, sie zu küssen, sie hätte dem nichts entgegensetzen können.
Grey hatte aufgehört nachzudenken. Spätestens in der Sekunde, in der er Annie in die Arme geschlossen hatte. Es war nur ein Tanz – und doch war es so viel mehr.
Deutlich spürte er das aufgeregte Pochen ihres Herzens an seiner Brust, sah den Puls an ihrem Hals rasen. Er musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um seine Hände nicht tiefer gleiten zu lassen und ihren wohlgeformten Po zu umfassen, der ihn schon seit langer Zeit so verlockte.
Und das vor all diesen Menschen! Er musste völlig den Verstand verloren haben.
Sein Blick war wie gebannt von ihren weichen Lippen, den glänzenden rehbraunen Augen und dem seidigen blonden Haar. Alles in ihm schrie danach, sie fester an sich zu ziehen und zu küssen. Doch das wäre Wahnsinn gewesen. Er durfte diese Frau nicht anrühren. Sie war seine Angestellte. Schon das allein sollte Grund genug sein, die Finger von ihr zu lassen.
Es widersprach seinen Prinzipien, sich mit einer Untergebenen einzulassen. Ja, es widersprach seinen Prinzipien, sich überhaupt mit einer Frau einzulassen!
Hast du dir nicht einmal geschworen, wenigstens diesen Fehler nicht zu wiederholen?
In diesem Moment verspürte er einen Stoß gegen den Rücken. Irritiert sah er sich um und erblickte zwei Mädchen von etwa sechs Jahren, die in ihren bunten Kleidchen lachend über die Tanzfläche rannten. Ihre langen Haare wehten, und ihre Augen blitzten vor Vergnügen. Ein Bild kindlicher Freude.
Grey traf der Anblick wie ein Stich ins Herz.
Mit einem Mal fühlte er sich kalt, wie betäubt. Es war, als wäre ihm alle Wärme aus dem Körper gesaugt worden, um nichts zurückzulassen als unendliche Leere. Abrupt ließ er Annie los, so plötzlich, dass sie überrascht zurückprallte.
Was war eigentlich in ihn gefahren? Er schauderte. Hatte ihn die Erfahrung mit Joanna denn gar nichts gelehrt?
Sein Blick fiel auf Annie, die schweigend dastand und ihn verständnislos anstarrte. Natürlich verstand sie nicht. Wie sollte sie auch?
Er schüttelte den Kopf, in einem sinnlosen Versuch, die bedrückenden Gedanken zu vertreiben. Am liebsten hätte er sich auf dem Absatz umgedreht und wäre davongelaufen, doch er beherrschte sich mühsam. “Lassen Sie uns einen freien Tisch suchen”, sagte er, überrascht darüber, wie gefasst seine Stimme klang.
Ohne darauf zu warten, ob Annie ihm folgte, verließ er die Tanzfläche. Er fand einen Tisch in der Nähe, setzte sich und gab vor, die tanzenden Paare zu beobachten. Deutlich spürte er Annies Blick auf sich ruhen. Aber er brachte es nicht über sich, ihr in die Augen zu schauen.
Doch als die Musik der Band verstummte, war ihm auch diese Möglichkeit genommen, einem Gespräch aus dem Weg zu gehen. Zu seinem Glück spielte in diesem Moment auf dem Rathausplatz die Kapelle der Folkloregruppe auf.
“Wenn Sie die Tanzgruppe sehen möchten, sollten wir uns wohl besser auf den Weg machen”, beeilte er sich zu sagen. Im nächsten Augenblick war er bereits
Weitere Kostenlose Bücher