Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
Schultern. “Miss Fielding, darf ich vorstellen, das ist Mark Cardassian, ein alter Studienfreund von mir. Mark, meine Privatsekretärin Annie Fielding.”
“Es ist mir eine Ehre, Annie … Ich darf doch Annie zu Ihnen sagen?” Mark Cardassian schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und streckte ihr die Hand entgegen.
Dreist. Dieser Cardassian war ganz offensichtlich ein Mann, der sich nahm, was er wollte – und der es in der Regel auch ohne großen Widerstand bekam.
Annie machte sich nichts vor. Er war im Grunde nicht im Geringsten an ihr, einer einfachen, recht reizlosen Sekretärin, interessiert. Nein, das eigentliche Ziel seiner Bemühungen war Grey. Er schien ein gutes Gespür zu haben und hatte sofort realisiert, dass zwischen seinem Studienfreund und ihr etwas im Argen lag. Und es schien ihm Spaß zu machen, Grey Unbehagen zu bereiten.
Für ihn war es ein Spiel, nichts weiter. Das Spiel eines verwöhnten, grausamen Kindes.
“Mr. Cardassian.” Annie erwiderte sein Lächeln nicht, als sie seine Hand ergriff. Dennoch gelang es ihm, sie zu überrumpeln, indem er sich vorbeugte und ihr einen Kuss auf den Handrücken hauchte. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Was bildete dieser unverschämte Mensch sich eigentlich ein?
Abrupt entzog sie ihm ihre Hand, wandte sich ab und verließ den Raum. Ihr war klar, dass es wie eine Flucht aussehen musste, doch das kümmerte sie nicht. Erst als sie in relativer Sicherheit hinter ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte, beruhigte sich ihr Herzschlag wieder. Doch ihre Erleichterung war nur von kurzer Dauer, denn nur ein paar Minuten später verließ Grey in Begleitung von Mark Cardassian sein Büro.
“Es ist wirklich freundlich von dir, dass du mich ein paar Tage hier einquartieren willst, mein Alter”, sagte Cardassian und klopfte seinem ehemaligen Kommilitonen freundschaftlich auf die Schulter. “Ich hoffe sehr, ich bereite dir mit meinem unangekündigten Besuch nicht zu viele Umstände.” Er lachte. “Aber wahrscheinlich wird dir meine Anwesenheit gar nicht auffallen. Das Haus ist so groß, dass man sich darin verlaufen könnte.”
Grey lächelte, auch wenn er – wie Annie fand – nicht sonderlich glücklich wirkte. “Mach dir keine Gedanken, Mark. Natürlich kannst du für ein paar Tage hier wohnen. Ich werde sogleich Anweisung erteilen, dir ein Zimmer herzurichten. Und wenn du irgendwelche Wünsche oder Fragen hast …”
“… werde ich mich einfach an die gute Annie wenden”, vervollständigte sein Studienfreund den Satz und warf Annie dabei einen leicht anzüglichen Blick zu.
“Es tut mir leid, aber das wird leider nicht möglich sein.” Überrascht nahm Annie zur Kenntnis, wie scharf Greys Stimme plötzlich klang. Das Lächeln auf seinen Lippen blieb, doch es wirkte falsch, gezwungen. “Miss Fielding ist voll und ganz ausgelastet. Das Hauspersonal wird dir jedoch jederzeit mit Freuden jeden Wunsch erfüllen.”
“Natürlich.” Cardassian grinste. Für Annie bestand nicht der leiseste Zweifel daran, dass ihm genau das gelungen war, was er beabsichtigt hatte. “Meine Schöne, es war mir ein großes Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen”, sagte er an Annie gewandt, ehe er mit einem vergnügten Summen den Raum verließ.
In dem Moment, in dem die Tür sich schloss, war Greys Lächeln wie fortgewischt. Annie musterte ihn fasziniert. In einer Sekunde war es noch da gewesen, in der nächsten spurlos verschwunden, so als hätte es niemals existiert.
“Haben Sie nichts zu tun?”, fuhr er sie an, als er merkte, dass sie ihn anstarrte. Dann drehte er sich um und verschwand mit steifen Schritten in seinem Büro.
Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Als Henrik erfuhr, wen Grey als Gast in seinem Hause beherbergte, konnte er nur verständnislos mit dem Kopf schütteln.
“Mark Cardassian? Junge, bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Hast du etwa schon wieder vergessen, was für ein hinterlistiger und falscher Zeitgenosse dieser Kerl ist?”
Natürlich hatte Grey das nicht vergessen. Ihn als seinen Studienfreund zu bezeichnen, war für sich genommen bereits eine Lüge gewesen. Zwischen Cardassian und ihm hatte von Beginn an eine unterschwellige Konkurrenz, ja Feindschaft geherrscht. Mark war mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren worden. Keiner seiner Wünsche war jemals unerfüllt geblieben. Was er wollte, nahm er sich einfach – ohne Rücksicht auf Verluste.
Grey hingegen stammte zwar
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