Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
dafür, sie in diese Situation zu bringen. Mark würde sicherlich keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um sich an sie heranzumachen. Schon allein um ihn damit zur Weißglut zu treiben – was ihm leider nur allzu gut gelang. Was sollte er tun?
Hör auf, dich selbst verrückt zu machen, ermahnte er sich. Es ist schließlich nur ein harmloser Ausritt. Und was soll schon passieren, immerhin bist du ja dabei.
Warum war ihm dann trotzdem so unwohl bei dieser ganzen Geschichte?
8. KAPITEL
E rst zweimal in ihrem Leben hatte Annie auf dem Rücken eines Pferdes gesessen. Und beide Male hatte sie sich dabei nicht besonders wohlgefühlt. Hinzu kam, dass die Stute, die Grey für sie ausgesucht hatte, ihr geradezu riesig erschien. Sie hatte das Gefühl, sich meterhoch über dem Boden zu befinden. Allein diese Tatsache reichte aus, um Übelkeit in ihr aufsteigen zu lassen. In Kombination mit dem sanften Ruckeln, als die Stute sich in Bewegung setzte, war es fatal.
“Sie machen das sehr gut”, raunte Grey ihr zu, der sich wie zufällig dicht neben ihr hielt. “Entspannen Sie sich, und lassen Sie einfach Rosebud die Arbeit übernehmen. Und keine Angst, sie ist die sanfteste und lammfrommste Stute im ganzen Stall.”
Annie antwortete mit einem gequälten Lächeln. Selbst wenn sie es gewollt hätte, sie wäre nicht in der Lage gewesen, auch nur einen Laut über die Lippen zu bringen. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum sie sich das eigentlich antat. Niemand konnte sie zwingen, an diesem Ausritt teilzunehmen. Dennoch hatte sie nicht widersprochen, als Grey sie darum gebeten hatte, Mark Cardassian und ihn zu begleiten.
Es schien ihm wichtig zu sein, aus welchem Grunde auch immer. Eigentlich hatte sie nicht einmal das Gefühl, dass Grey und sein alter Studienfreund besonders gut miteinander zurechtkamen. Manchmal schien ihr sogar eine regelrechte Abneigung zwischen den beiden zu bestehen. Sie schlichen umeinander herum wie Raubtiere, die nur darauf warteten, dass der Gegner den entscheidenden Fehler machte.
Aber warum?
Sie wurde aus der ganzen Sache nicht schlau. Alles, was sie wusste, war, dass sie Grey helfen wollte. Nicht nur aus Loyalität, weil er ihr Boss war, sondern weil sie ihn mochte. Und dieser Cardassian … Nun, er machte es einem nicht gerade leicht, ihn zu mögen. Seine Überheblichkeit und die Art und Weise, wie er sie, Annie, behandelte, trugen nicht dazu bei, ihn ihr sympathischer zu machen.
Und genau deshalb war sie hier. Es war nicht weiter schwierig, sich vorzustellen, was für ein Bild sie im Augenblick abgab. Steif und verkrampft saß sie im Sattel und umklammerte die Zügel so fest, als würde ihr Leben davon abhängen. Ihr Blick war fest auf den vor ihr liegenden Pfad gerichtet. Die Landschaft, die sie durchquerten, war atemberaubend schön, doch Annie hatte keine Muße, sie zu genießen. Dazu war sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
“Na, was sagen Sie, Annie?” Cardassian hatte sich genähert, ohne dass sie es bemerkt hatte, und ritt jetzt auch direkt neben ihr. Natürlich hatte er sich das schönste Tier im Stall ausgesucht: ein stolzer schwarzer Hengst, dessen Fell in der Mittagssonne wie Samt schimmerte. “Ist es nicht einfach herrlich, den Alltag hinter sich zu lassen? Geben Sie es ruhig zu.”
Im Gegensatz zu Grey schien er keineswegs zu begreifen, dass Annie sich zu Pferde alles andere als wohlfühlte. Doch das war im Grunde nur typisch für ihn. Ihr Instinkt sagte ihr, dass es ihn nicht sonderlich interessierte, was andere Menschen dachten oder fühlten. Mark Cardassian stand im Zentrum seines eigenen Universums. Er wurde sich der Existenz anderer fühlender Wesen erst dann bewusst, wenn sie ihm bei der Durchführung seines Vorhabens in die Quere kamen.
Zum wiederholten Male fragte Annie sich, welche Pläne ihn wohl nach Schweden geführt hatten. Der Wunsch nach Ruhe und Erholung war es definitiv nicht. Ebenso wenig das Verlangen, einen alten Studienkameraden wiederzusehen. Nein, ganz sicher nicht. Ein Mensch wie Mark Cardassian tat nichts ohne triftigen Grund, dessen war sie sich ganz sicher.
Rosebud tänzelte nervös und schüttelte dann schnaubend den Kopf. Annie blieb vor Schreck fast das Herz stehen. Sie warf einen besorgten Seitenblick zu Grey, der ihr beruhigend zunickte. Keine Sorge, schien er ihr sagen zu wollen, alles ist in Ordnung. Krampfhaft versuchte Annie, ihre Unruhe zu unterdrücken. Sie atmete tief durch und zwang sich, die Umgebung zu
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