Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
auch nicht einschlafen.”
Vor Schreck ließ Annie beinahe die bauchige Flasche fallen. Sie wirbelte herum und erkannte im schwachen Licht der Kühlschrankbeleuchtung Grey, der im Türrahmen stand und sie beobachtete. “Sind Sie wahnsinnig, mich so zu erschrecken?”, keuchte sie.
“Tut mir leid, das lag nicht in meiner Absicht.” Er nickte ihr zu. “Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir ebenfalls ein Glas Milch einzugießen, Annie?”
“Natürlich nicht.”
Zu ihrem eigenen Verdruss zitterten ihre Hände leicht, als sie die Gläser aus dem Küchenschrank nahm. Als sie Grey eines davon reichte, streiften sich ihre Finger. Es war wie ein elektrischer Schlag, und Annie atmete scharf ein.
Grey schluckte trocken.
“Danke”, stieß er heiser hervor, selbst überrascht, wie sehr diese kurze Berührung ihn aus der Bahn geworfen hatte. Es war lächerlich, und es war dumm, doch wünschte Grey, er könnte Annie einfach an sich ziehen, in seine Arme.
Er wollte sie berühren, sie küssen und …
Natürlich war ihm klar, dass es heller Wahnsinn war, dergleichen auch nur in Betracht zu ziehen. Im Grunde hätte Annie nicht einmal in der Lage sein sollen, diesen Ansturm verwirrender Gefühlen in ihm auszulösen. Trotzdem konnte er an nichts anderes mehr denken.
Ob sie ihn zurückweisen würde? Grey unterdrückte ein Stöhnen. Natürlich würde sie das! Dass er dabei war, den Verstand zu verlieren, bedeutete ja nicht, dass es ihr genauso erging. Trotzdem, seine Selbstbeherrschung hing nur noch an einem seidenen Faden. Sein Puls raste, und das Blut rauschte ihm in den Ohren, so laut, dass es das Prasseln der Regentropfen gegen die Fensterscheiben übertönte. Unter keinen Umständen durfte er die Kontrolle über sich verlieren. Wenn er jetzt mit all seinen Prinzipien brach, konnte er für nichts mehr garantieren.
Ein ohrenbetäubender Donner hallte durch die Nacht. Grey sah, wie Annie vor Entsetzen die Augen aufriss. Panik irrlichterte darin. Für einen Moment schien sie wie erstarrt, dann schlang sie die Arme um ihn, so, als wäre er ihr rettender Fels in der Brandung.
Grey konnte es nicht mehr aufhalten. Wie ein Feuersturm fegte das Verlangen alle Schranken und Barrieren hinweg, die sein Verstand ihm auferlegt hatte. Er hatte das Gefühl, lichterloh zu brennen. All seine Sinne waren aufs Äußerste geschärft. Er hörte Annies schweren Atem, und ihr berauschender Duft machte ihn schwindelig.
Hör auf der Stelle damit auf!, befahl er sich, doch seine Hände schienen einen eigenen Willen zu besitzen. Seine Finger gruben sich wie von selbst in Annies blondes seidiges Haar, zogen ihren Kopf zu sich heran, sodass ihre Lippen sich beinahe berührten.
Beinahe.
Annie starrte ihn aus großen Augen an. Sie schien wie erstarrt, und Grey rechnete damit, dass sie ihn jeden Moment empört von sich stoßen würde. Ja, er erwartete es sogar förmlich von ihr! Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen spürte er auf einmal ihre Lippen auf seinem Mund, und es war um ihn geschehen.
Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte Annie sich gleichzeitig so hilflos und so mächtig gefühlt. Grey sagte kein Wort, doch seine Augen sprachen eine deutliche Sprache. Er begehrte sie. Sie, die unscheinbare Annie Fielding. Was hier geschah, war einfach unglaublich. Sie wusste nicht, wie es begonnen hatte, doch ihr war klar, dass es nur einen Weg gab, es zu beenden.
Sie küssten sich stürmisch. Immer und immer wieder. Es war ein überwältigendes Gefühl, aufwühlend und erschütternd zugleich. Als Grey seine Hand unter den Morgenmantel, den sie noch immer trug, gleiten ließ, rang Annie nach Atem. Sengende Hitze pulsierte durch ihren Körper, setzte jeden Muskel und jeden Nerv in Flammen. Die Welt ging unter in einem erregenden Strudel aus Lust und Leidenschaft, von dem sie mitgerissen wurde, ohne etwas dagegen tun zu können.
All ihre Scheu, all ihre Hemmungen waren mit einem Mal wie ausgelöscht. Ungeduldig zerrte sie am Saum seiner Pyjamajacke, bis er sie schließlich über den Kopf streifte und achtlos zu Boden fallen ließ. Dann klammerte sie sich an seinen kräftigen Rücken, grub die Fingernägel tief in die Haut, während er im Gegenzug seine Hände über ihren Körper gleiten ließ.
Zum allerersten Mal in ihrem Leben ließ Annie sich vollständig fallen. Draußen tobte der Sturm nun mit aller Macht. Blitze zuckten in kurzen Abständen vom Himmel, und Donnerschläge ließen die Erde erzittern. Doch Annie nahm von all dem kaum etwas wahr
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