Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
stieg, und legte ihr seinen Arm um die Schultern. Grob zog er sie zu sich heran.
“Lassen Sie mich los!”, schrie sie, zugleich ängstlich und wütend. “Wenn Sie nicht auf der Stelle Ihren Arm wegnehmen, dann …”
“Was dann, Süße? Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, wir sind hier mutterseelenallein. Du kannst also schreien, bis dir die Luft wegbleibt, hier draußen kann dich niemand hören. Ganz davon abgesehen willst du es doch, das spüre ich deutlich. Du zitterst ja geradezu vor Verlangen.”
Sie zitterte tatsächlich – jedoch keineswegs vor Verlangen, sondern vor Furcht. Wann kam Grey denn endlich mit dem Arzt zurück? Irgendwie musste es ihr gelingen, sich Cardassian so lange vom Hals zu halten – auch wenn sie nicht die kleinste Idee hatte, wie sie das anstellen sollte.
Ihre Gedanken rasten. Fieberhaft überlegte sie, wie sie sich aus dieser schrecklichen Situation befreien konnte. Umsonst.
Unsanft wurde sie von Cardassian zu Boden gedrückt. Das Gewicht seines Körpers hielt sie gefangen, nahm ihr jegliche Bewegungsfreiheit. Seine Augen glitzerten gefährlich, und seine Lippen glänzten feucht. Der Anblick drehte Annie schier den Magen um.
“Warum zierst du dich denn so?”, raunte er. Sein Atem ging schwer. “Du solltest dich eigentlich freuen, Herzchen. Dir wird eine Ehre zuteil, die nur wenigen Frauen vergönnt ist.”
Annie versuchte verzweifelt, ihn von sich zu stoßen. Doch da sie weder Arme noch Beine rühren konnte, gelang es ihr nicht. Cardassian war einfach zu kräftig, sie konnte nichts gegen ihn ausrichten. Tränen der Wut und der Verzweiflung traten ihr in die Augen. “Hören Sie auf! Lassen Sie mich einfach in Ruhe, ich werde auch zu niemandem ein Wort darüber verlieren, was hier vorgefallen ist.”
“Oh, aber du verstehst noch immer nicht, Annie. Ich
will,
dass Grey hiervon erfährt. Ich dachte, das wäre dir mittlerweile klar geworden.” Er lachte höhnisch auf. “Weißt du, es ist langsam an der Zeit, diesem aufgeblasenen Wichtigtuer endlich mal in die Schranken zu weisen. Grey, der Superstudent. Grey, der Unternehmensretter. Grey, der Wirtschaftsmagnat. Pah! Immer stand ich in seinem Schatten, aber jetzt wird er sehen, was er davon hat! Zuerst nehme ich ihm die Frau, auf die er ein Auge geworfen hat, und dann werde ich O’Brannagh Industries ruinieren. Du wirst sehen, danach wird der gute Grey wie ein ziemlich armseliges Würstchen aussehen!”
Und dann presste er ihr brutal die Lippen auf den Mund. Erstickt keuchte Annie auf.
“Ich hoffe, ich störe nicht.”
Als sie Greys Stimme hörte, wurde ihr vor Erleichterung schwindelig. Hastig rollte Cardassian sich von ihr herunter, und endlich konnte sie wieder frei atmen. Sie drehte sich zu ihrem Retter um, wollte ihm danken – und erstarrte, als sie in sein Gesicht blickte.
“Der Arzt wird jeden Moment eintreffen”, sagte er. Seine Stimme klirrte wie Eis. “Ich schlage vor, dass ihr mit eurem Tête-à-Tête wartet, bis er seine Untersuchung beendet hat. Was ihr danach tut, interessiert mich nicht.”
Annie sank das Herz. Im Gegensatz zu Grey bemerkte sie das triumphierende Grinsen, das sich auf Mark Cardassians Gesicht ausbreitete.
Grey hieb mit der Faust gegen die Wand.
Als er Mark Cardassian vor einer knappen Stunde vor die Tür gesetzt hatte, hatte er noch gehofft, dass er sich dadurch besser fühlen würde. Ein Irrtum.
Annie …
Wie hatte er sich so in ihr täuschen können? In den letzten Wochen hatte er immer mehr gelernt, sie zu schätzen und zu respektieren. Nicht nur, was das Berufliche betraf. Sie war ihm so offen, so ehrlich und natürlich vorgekommen. Eine Frau, völlig anders als alle, die er in seinem bisherigen Leben kennengelernt hatte.
Geld und Luxus schienen sie nicht zu interessieren. Seit jener Nacht hatte sie nicht einen einzigen Annäherungsversuch unternommen. Kein Flirten, keine koketten Augenaufschläge, um ihn zu bezirzen. Zudem schien ihre Arbeit ihr tatsächlich Freude zu bereiten – und sie war überraschend gut in dem, was sie tat.
Doch das Beste an ihr war, dass sie ein Mensch war, der sich auch für die einfachen, kleinen Freuden des Lebens begeistern konnte. Sie brauchte keine Brillantringe, keine kostspielige Garderobe, um glücklich zu sein. Zumindest hatte er das bis vor ein paar Stunden von ihr gedacht.
Ein weiterer Irrtum. Seine Menschenkenntnis, auf die er sich bislang immer so viel eingebildet hatte, schien ihn in letzter Zeit schändlich im Stich
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