Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
Konsequenzen zurechtkommen.
Es klopfte an der Tür. Für einen Moment war Grey unschlüssig, ob er den unangemeldeten Besucher überhaupt empfangen sollte. Ihm stand nicht der Sinn nach belangloser Konversation.
“Grey? Komm schon alter Junge, ich weiß genau, dass du da bist. Mach schon auf.”
Henrik. Das hätte er sich ja auch denken können. Seufzend ging er zur Tür und ließ seinen Freund herein, ohne ihn zu begrüßen. Dann ließ er sich auf einen der weichen Ledersessel fallen, mit denen er seinen Wohnraum eingerichtet hatte.
“Na, ich muss schon sagen, das ist ja ein freundlicher Empfang”, bemerkte Henrik, nur halb scherzhaft. Sein Blick fiel auf die geöffnete Whiskyflasche. Missbilligend runzelte er die Stirn. “Sag mal, glaubst du nicht, dass du es in letzter Zeit vielleicht ein bisschen übertreibst?”
“Ich wüsste nicht, was dich das anginge”, erwiderte Grey scharf. “Zu deiner Information: Ich bin schon ein großer Junge. Ich weiß, was ich tue.”
Henrik schüttelte den Kopf. “Um ehrlich zu sein, bin ich mir da gar nicht mehr so sicher. Du verhältst dich schon seit Tagen ziemlich merkwürdig. Ich fange wirklich an, mir Sorgen um dich zu machen. Hat es mit dem Bergström-Deal zu tun? Oder liegt es vielleicht eher an Annie?”
Beinahe hätte Grey sich an seinem Drink verschluckt. “Wie kommst du denn darauf?”, keuchte er erstickt. “Du hast wirklich eine lebhafte Fantasie, das muss man dir lassen.”
“Ach komm schon, ich habe schließlich Augen im Kopf. Du willst mir doch nicht allen Ernstes weismachen, dass dir das Mädchen vollkommen gleichgültig ist.”
“Natürlich nicht. Sie ist meine Angestellte, wie du weißt. Und ich bin bekannt dafür, dass ich mich immer um die Belange meiner Untergebenen kümmere.”
“Im Allgemeinen schon”, erwiderte Henrik. “Doch was Annie Fielding betrifft … Ich bin ihr vorhin im Flur begegnet. Ist dir aufgefallen, wie bleich sie aussieht? Verdammt, ich möchte gar nicht wissen, wie lange sie schon kein Tageslicht mehr gesehen hat!”
Grey hob die Schultern. “Dafür bin ich nun wirklich nicht verantwortlich. Ich zwinge sie nicht dazu, Überstunden zu machen, das ist ihre freie Entscheidung. Zudem haben wir für das Meeting noch eine Menge vorzubereiten, von daher kann ich Annies Arbeitseifer nur begrüßen.” Er griff nach der Flasche und füllte sein Glas erneut. “Und davon abgesehen habe ich es ja zu einem nicht unwesentlichen Teil ihr zu verdanken, dass wir die Verhandlungen mit Bergström so kurzfristig vorverlegen mussten.”
“Du machst Annie dafür verantwortlich? Warum das denn?”
“Da fragst du noch? Denk doch mal nach, ohne sie wären die ganzen Probleme mit Mark Cardassian gar nicht erst entstanden. Ich wette, er befindet sich bereits in Verhandlungen mit unseren schärfsten Rivalen. Und du weißt genau, dass wir in einem direkten Konkurrenzkampf nur den Kürzeren ziehen können.” Er schüttelte den Kopf. “Vor ein paar Stunden hat mich sogar schon Carl Jenssons von Venom Motors angerufen, um mich darüber zu informieren, dass Cardassian ihm interne Informationen von O’Brannagh Industries zum Kauf angeboten hat. Jenssons hat nur deshalb abgelehnt, weil er Industriespionage in jeglicher Form ablehnt. Aber du kannst sicher sein, dass mein feiner Studienkollege schnell jemanden bei der Hand haben wird, der in dieser Hinsicht nicht so zimperlich ist.”
Henrik verzog das Gesicht. “Das ist allerdings übel. Ich habe den Vertragsentwurf durchgelesen, den Annie für dich vorbereitet hat. Und wir können Bergström in der Tat kein höheres Angebot unterbreiten, ohne den Fortbestand der Firma zu riskieren.”
“Ich weiß”, erwiderte Grey seufzend. “Und mich lässt das unbestimmte Gefühl nicht los, dass Olaf Bergström, sobald man ihm ein Angebot unterbreitet, das unseres übersteigt, früher oder später schwach werden wird.” Er warf seinem Partner einen düsteren Blick zu. “Und was dann passiert, brauche ich dir wohl nicht näher zu erläutern. Im Augenblick können wir nur hoffen und beten, dass es dazu gar nicht erst kommt.”
Für einen Moment herrschte unheilvolles Schweigen. Schließlich schüttelte Henrik den Kopf. “Ach komm, es hat keinen Sinn, sich darüber jetzt schon Gedanken zu machen. Der Vertrag, den Annie entworfen hat, ist mehr als fair. Und Bergström schuldet dir noch etwas. Ohne dich und O’Brannagh Industries wäre er niemals in der Lage gewesen, die Universität zu
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