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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Daß es sich bei ihr weder um eine elegante noch irgendwie
gutaussehende Person handelte, sondern um eine pure Expertin, eine in der Kunst
des Strickens vollends aufgehende Fachfrau, war absolut ein Vorteil. Sie paßte
perfekt zu Lorenz. Wenn der schöne Lorenz Mohn für den Namen seines Geschäfts
stand, also für den Namen Pluto , dann mußte man seine
Mitarbeiterin und eigentliche Kapazität mit Charon gleichsetzen, also dem nahen Trabanten des Plutos und in der griechischen
Mythologie als der greise Fährmann bekannt, der die Toten über den Fluß Styx
führt. Zumindest dann, wenn diese Toten auch bezahlt haben und eine Münze unter
ihrer Zunge mitführen.
    Was nun Lorenz nicht ahnen konnte, war der Umstand, daß diese Frau
(deren Name merkwürdig verschwommen blieb oder immer wieder mit kleinen oder
auch größeren Änderungen ausgesprochen wurde: Kurzmann, Kurzmaier, Kurtlan,
Kurtaner, vielleicht sogar Courths-Mahler), daß diese Frau also in Wirklichkeit
in Diensten von Claire Montbard stand, obgleich es das Arbeitsamt gewesen war,
welches sie an Lorenz vermittelt hatte. Aber das Arbeitsamt war ja auch nur
eine an Weisungen gebundene Behörde. Und man kann sagen, daß, wenn Lorenz der
Meister der Wolle war, dann war Claire Montbard ganz sicher die Meisterin der
Weisungen.
    Nur einmal an diesem Abend kamen die beiden, der Kreditnehmer und
seine Kreditgeberin, ins Gespräch. Claire Montbard bestätigte Lorenz, daß Plutos Liebe ein zauberhafter Laden geworden sei, der
sicher auch alle Nichtstrickerinnen und Nichtstricker animieren würde
einzutreten. Doch mit keinem Wort erwähnte sie den Toten, der hier gefunden
worden war. Allerdings machte sie eine Bemerkung bezüglich der Anwesenheit von
Boris Spann, den sie gut zu kennen schien. Sie sagte zu Lorenz: »Ich find es
clever von Ihnen, sich mit der Polizei anzufreunden.«
    Â»Anfreunden wäre zuviel gesagt.«
    Â»Wie auch immer. Sie machen es jedenfalls richtig.« Und: »Wie finden
Sie Stirling?«
    Â»Er weiß, was er tut.«
    Â»Bei einem Griechen grenzt das an ein Wunder«, äußerte Montbard, die
wie die meisten Wiener null Probleme hatte, ein Vorurteil auszusprechen.
    Â»Na, er ist ja immerhin ein wenig ein Engländer.«
    Â»Was man ihm Gott sei Dank nicht ansieht«, setzte Montbard ihre
Stänkerei fort. »Ich weiß nicht, warum das so ist, aber Engländer sind
tendenziell häßlich. Sie sehen alle aus, als hätten sie zu lange in einer
Waschmaschine gesteckt. Doch nicht dieser Junge. Er wirkt eher antik. Eher wie
die Skulptur dessen, was er sein könnte, wäre er nicht Polizist.«
    Â»Und was wäre das?« fragte Lorenz.
    Â»So eine Art Speerwerfer.«
    Lorenz nickte. Montbard hatte recht. In der Tat hätte man Stirling
für einen angezogenen Speerwerfer halten können.
    Â»14. Juli. Nicht vergessen«, erinnerte Montbard, während sie bereits
in eine andere Gesprächsrunde hinüberglitt.
    Â»Ich vergesse gar nichts«, sagte Lorenz. In Wirklichkeit wäre er auf
die Schnelle nicht mal in der Lage gewesen, sicher sagen zu können, ob die
Rückzahlung im Juli 2014 oder 2015 zu erfolgen hatte.
    Es muß hier in aller Deutlichkeit gesagt werden: Lorenz Mohn war ein
vergeßlicher Mann.
    Freilich nicht so vergeßlich, daß er vergaß, einen
Heiratsantrag gemacht zu haben. Einige Wochen später ging er mit Sera Bilten
den Bund fürs Leben ein. Was ein Teil der Damenwelt, die in die Rosmalenstraße
kam, um sich mit Wolle und Nähzeug einzudecken, sehr bedauerte. Gleichzeitig
stieg Lorenz in deren Achtung. Bei aller Attraktivität und Komplettheit war ihm
bis dahin dennoch ein gewisser Makel angehangen. Wenn nämlich gesagt worden
war, ein Mann mit Geschäft sei wie ein Astronaut mit Rakete oder ein Reiter mit
Pferd, dann hatten dennoch der Treibstoff und der Hafer noch gefehlt.
    Jetzt aber, glücklich verheiratet, war er perfekt.

IV
    Wie schon vermutet, ist heute morgen
    die schwarze Dame eingetroffen.
    Â 
    (Der Buchhändler E. W. Huber in einer Mail
    Â bezüglich der quasi
weltweiten Suche nach
    Â einer 1,8 cm großen
Steckschachfigur.)
    Â 
    Â 
    Wir versuchen uns des anderen Schwächen anzueignen.
    Â 
    (Lino Ventura in dem Film Der Schrecken
der Medusa
    auf die Frage, wieso ein französischer Inspektor
    in englischen Diensten stehe)
    Â 
    Â 
    Kann man sagen: Ein Irrtum

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