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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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beziehungsweise noch nichts
nachweisen kann. – Der Nix-Fall war ein E-Fall. Gott sei Dank!)
    Eineinhalb Wochen später eröffnete Plutos
Liebe . Und man darf sagen, es wurde ein gesellschaftliches Ereignis.
Freilich nicht eins von denen, über die in den Klatschspalten berichtet wird.
Darum brauchten auch keine Männer aus dem Sicherheitsgewerbe mit ihren
häßlichen Ohrstöpseln durch die Gegend zu laufen und den Eindruck des
Überfallwürdigen vorzutäuschen. Zudem fehlten die notorischen Bezirksgrößen.
Dafür war Claire Montbard erschienen, ohne deren zinsfreien Kredit das alles ja
gar nicht denkbar gewesen wäre. In ihrem Schlepptau erschienen einige
Persönlichkeiten aus der Kultur. Zudem ein berühmter Schriftsteller, der sich
als leidenschaftlicher Teppichknüpfer entpuppte. Sogar irgendein
Hollywoodregisseur, der gerade in Wien war. Diese prominenten Figuren
vermischten sich mit den Menschen aus der Rosmalenstraße und der Umgebung zu
einem attraktiven Haufen. Und zu guter Letzt gab sich die Polizei in Gestalt
von Stirling und seinem Vorgesetzten Boris Spann die Ehre. Hätte nur noch
gefehlt, Rorschach und Mai Hillsand wären aufgetaucht. Doch es waren auch so
genügend schöne Frauen anwesend. Ja, man kann sagen, daß an diesem
Eröffnungsabend jede Frau vor dem Hintergrund einer breitwandigen Farbskala
elegant und anmutig wirkte. Die Männer verblaßten daneben. Aber es gibt
schließlich auch ein wohliges Verblassen.
    Nur einer verblaßte nicht: Lorenz Mohn. Er war glücklich und
zufrieden. Und dieser gewisse Ausdruck der Erschöpfung – als sei er auf dem Weg
zu Plutos Liebe durch ein Tal der Schmerzen gegangen – machte ihn natürlich nur noch anziehender. Er war jetzt ein kompletter Mann.
Ein Mann mit Geschäft, so wie man vielleicht sagt, ein König mit Reich oder ein
Astronaut mit Rakete oder ein Reiter mit Pferd.
    Sera spürte diese Ganzwerdung des Mannes, der ihr so verfallen war.
Das beeindruckte sie. Wie gut dieser Mann und dieses Geschäft zusammenpaßten!
So wie sie selbst ja ebenfalls bestens mit ihrem Heiratsinstitut harmonierte.
Sie fühlte sich nun endlich restlos angezogen von Lorenz Mohn, auch wenn er
bezüglich der Geschichte mit Nix sich dümmlich verhalten hatte. Aber das würde
sie schon noch hinbekommen.
    Lorenz hatte ihr am Tag zuvor – geradezu panikartig, als sei er im
Sterben begriffen oder als sei Sera im Sterben begriffen – einen Heiratsantrag
gemacht. Gerade in dem Augenblick, als die Ikebanagestecke gekommen waren, mit
denen Teile des Lokals geschmückt wurden. Es war ganz klar, daß Lorenz zwar
geplant hatte, etwas Derartiges zu unternehmen, denn er hatte bereits den Ring
in der Tasche gehabt, doch der konkrete Moment war außerhalb des Plans
gestanden. – Man kann sagen: Der Moment übermannte den Mann. Lorenz faßte die
soeben mit ein paar »lebendigen Blumen« vorbeieilende Sera am Arm, nahm ihr das
Arrangement aus der Hand, holte den Ring aus der Tasche und deutete etwas an,
was man als theoretisches Niederknien bezeichnen konnte. Und dann offenbarte
er, ihr dabei eindringlich in die Augen sehend (nun also endlich ein Loch ins
Eis schlagend, um darin zu angeln): »Ich will dich heiraten. Ich habe das noch
nie jemandem gesagt, und ich werde es ganz sicher auch nie wieder jemandem
sagen. Es gibt nur einen Urknall.«
    Na, so ganz sicher war das eigentlich nicht. Wenn man bedenkt, daß
manche Wissenschaftler von einer unendlichen Zahl singulärer Ausgangspunkte
sprechen, aus denen dann eine Vielzahl von parallelen Universen entstanden
sind. Aber Sera wußte natürlich, wie Lorenz es meinte. Und weil sie zu denen
gehörte, die einsahen, daß, wenn ein Weg sich nach rechts und links gabelt, man
nicht einfach weiter gerade gehen kann, sagte sie: »Ja. Heirate mich.«
    Im Bewußtsein einer solchen Zukunft standen sie nun nebeneinander,
Hand in Hand, die zierliche, aber in ihrer Zierlichkeit unzerbrechliche Blauhaarige
und der Meister der Wolle. Daß dieser Meister noch immer recht wenig Ahnung vom
Stricken und Knüpfen und Nähen hatte, störte dabei nicht. Seine zukünftigen
Kundinnen würden ja selbst bestens wissen, was sie brauchten und wollten. Zudem
hatte Lorenz eine Verkäuferin eingestellt, eine Dame kurz vor der
Pensionierung, der einige Versicherungsjahre fehlten und welche mit Freude den
Job angenommen hatte.

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