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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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eben in die Seele und die Seelchen umschichtet.
    So kann man es sehen. Und hat das nicht was für sich?
    Was jetzt aber wirklich wichtig war, das war die
Beendigung der Renovierungsarbeiten von Plutos Liebe .
Nachdem die Polizei den Fundort der Leiche wieder freigegeben hatte, gingen die
Arbeiter daran, den Raum leerzuräumen. Die paläontologischen Habseligkeiten des
kinderlosen Fabian Nix brachte man hinauf zu Sera, da sie nun mal die einzige
»Verwandte« des Toten war, welcher außer ein paar Steinen nichts hinterlassen
zu haben schien.
    Lorenz ließ den Raum zumauern. Es widerstrebte ihm, ihn zu benutzen.
Was Sera komisch fand. Einmal meinte sie: »Das ist, als wolltest du deine
Erinnerung zumauern. Um nicht zu sagen, den Umstand meiner Ehe mit Nix.«
    Â»Das ist wohl richtig«, hatte Lorenz geantwortet und weiter die Wand
gestrichen, wo einst eine Metalltüre gewesen war.
    Das war vier Tage nach der Rückkehr aus Solnhofen. Am fünften
erschien Stirling. Er betrat den Laden, als Lorenz gerade dabei war, eine erste
Lieferung von Wolle in das große Regalsystem einzuordnen, wie ein Maler, der
erste Farbpunkte auf die von Linien unterteilte große Leinwand setzt.
    Â»Geht es also los?« zeigte sich Stirling erfreut, Lorenz bei dieser
Arbeit zu sehen.
    Â»Ja, endlich. – Kommen Sie, um mich doch noch zu verhaften?«
    Â»Wie könnte ich einen Mann verhaften, der ein Strickwarengeschäft
eröffnet! Die Frauen würden mich lynchen. Nein, ich bin hier… Haben Sie ein wenig Zeit?«
    Lorenz stieg von der Leiter, rief etwas nach hinten zu den
Bodenlegern und lud Stirling mit einer Handbewegung ein, auf die Straße zu
treten. Ein Gewitter lag über Wien, jedoch eins von der Güteklasse jener Hunde,
die bellen, aber nicht beißen. Aus der Ferne ein wenig Donner, viel schwüle
Luft, schwarzer Himmel, ein paar Tropfen, die wie bewußtlose Wasserträger auf
den heißen Beton aufschlugen. Lorenz führte Stirling zu einem Café, das auf der
Vorderseite der Kirche gelegen war. Man setzte sich in den kleinen überdachten
Gastgarten, unter dem es so finster war, als sitze man hinter Rauchglas.
    Â»Also, was ist geschehen?« fragte Lorenz.
    Â»In Solnhofen wurde eingebrochen. Im Museum. Das ist einigermaßen
erstaunlich, nicht wahr?«
    Â»Geht es um den Vogel?«
    Â»Nein, das nicht. Der Archaeopteryx blieb unangetastet. Es wurde ein
vergleichsweise unbedeutendes Objekt geraubt, ein Fisch…fragen Sie mich
nicht, was für einer. Oberes Jura. Jedenfalls kein Fisch, mit dem man viel Geld
machen kann. Und das ist genau der Punkt, der mir zu denken gibt. Warum bricht
jemand dort ein, um statt des Vogels einen Fisch zu rauben?«
    Â»Jemand, der sich nicht auskennt«, spekulierte Lorenz.
    Â»Jemand, der sich nicht auskennt, überfällt einen Tabakladen oder
einen Juwelier, kein Sauriermuseum.«
    Â»Da mögen Sie recht haben«, stimmte Lorenz zu und erklärte:
»Vielleicht ist der Fisch ja nicht so unwichtig, wie wir glauben. Vielleicht
liegt unter dem Fisch ein System aus Linien begraben.«
    Â»Ja, die Linien«, seufzte Stirling und nahm das bestellte Stück
Linzer Torte in Empfang, das dank des Staubzuckers aus der beträchtlichen
Dunkelheit herausleuchtete wie ein Flecken Schnee in der Nacht. »Ich habe mit
Rorschach telefoniert. Er ist mehr denn je überzeugt, daß das keine Fälschung
ist, daß die Linien wirklich so alt sind.«
    Â»Aber der Hinweis auf Pluto ist doch Unsinn«, meinte Lorenz.
    Â»Warum sagen Sie das? Wegen Ihres Ladens?«
    Â»Ein saublöder Zufall. Mein Geschäft und der Stein haben nichts
miteinander zu tun.«
    Â»Da ist aber noch was«, bemerkte Stirling. »Der Name Nix. So heißt
ja nicht nur unser Toter, sondern auch einer von den Plutomonden, die man erst
vor kurzem entdeckt hat.«
    Lorenz blickte mürrisch. Er mochte diese Überschneidungen nicht. Er
sagte: »Erinnern Sie sich, daß wir einmal darüber sprachen, daß jeder von uns
möglicherweise bloß eine Figur in einem Roman sei und…«
    Â»â€¦man sich fragen kann«,
vollendete Stirling, »ob man da durch einen guten oder schlechten Roman
marschieren muß.«
    Â»Genau. Stellen wir uns mal vor, der Typ, der diesen Roman hier
schreibt, hat einen Plutotick. Eine dümmliche Manie. Die Manie, in alles und
jedes diesen einen Planeten einzubauen. Und neben dem Plutotick hat

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