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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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bereits arrangiert. Ich
habe ja neulich von meinen Verbindungen gesprochen. Derartige Transporte sind
eigentlich nicht schwierig, wenn man statt der tatsächlich höchst
problematischen Passagiermaschinen auf Frachtflugzeuge setzt. Im Grunde konnte
ich den Picasso und den Archaeopteryx mit der Post versenden, nur daß ich ein
bißchen was würde drauflegen müssen. Nicht wegen des Gewichts, versteht sich.
Auf diese Art und Weise, diese Reise mit der Post, werden heiklere Dinge als
Picassos befördert. Unmengen von Drogen gehen als Postfracht um die Welt. Alle
reden von verrückten Schmuggelmethoden, von armen Schweinen, die Päckchen von
Kokain in ihren Därmen mit sich führen oder die Teddybären ihrer Kinder anfüllen,
während man dank des von jedem Tourismus und jedem Terrorismus – und damit
gleichfalls von jeder Beachtung – verschonten Flugfrachtverkehrs genau das tun
kann, was doch immer propagiert wird: freien Handel in einer freien Welt
treiben. Oder eben auch nur ein paar Dinge verschicken, die bloß genügend hoch
frankiert sein müssen, um unbeanstandet und bar einer Kontrolle ihr Ziel zu
erreichen.
    Â»Ich muß am Donnerstag nach Singen«, erzählte ich Maritta,
als sie von einem harten Arbeitstag nach Hause kam. Ich kredenzte ihr –
entgegen dem üblichen Kleinmut-Pastagericht – einen gerollten
Kalbsnierenbraten, welcher ganz gut aussah, mich freilich meine ganze
Konzentration gekostet hatte. Das Fieber, das ich jetzt spürte, stammte
eindeutig vom Kochen.
    Â»Hast du in Singen eine Geliebte?« fragte Maritta.
    Â»Wieso?«
    Â»Na, wenn ich sehe, was du dir hier antust?«
    Ich konnte ihr nicht sagen, daß ich sie verwöhnen wollte, solange es
noch ging. Statt dessen erklärte ich: »Wenn nötig, hätte ich persönlich das
Kalb für dich geschlachtet.«
    Â»Meine Güte«, stöhnte Maritta, lachte aber gleichzeitig. »Du
scheinst wirklich nicht ganz gesund zu sein.«
    Dann ließen wir es uns schmecken. Ohne daß noch einmal der Name
Singen fiel.

20  |  Nichtgeburtstag
    Am Donnerstag fuhren wir vormittags mit der Stadtbahn ins
Zentrum. Ich brachte Maritta in ihre Praxis und kaufte mir dann einen Kaffee. –
Der deutsche Kaffee wird gerne schlechtgeredet, was ein wenig so ist, als
wollte man das Wasser anspritzen. Das kann man natürlich machen, aber es ist
doch ziemlich lächerlich. Nichtsdestotrotz kannte ich eine Adresse in
Stuttgart, wo man hervorragenden Kaffee servierte. Es hatte fast was Illegales,
Konspiratives. Keine Ahnung, woher die Bohnen kamen. Wahrscheinlich von einem
dieser vielzitierten Drogenkartelle.
    Danach spazierte ich durch die Stadt, die unter dem blauen Himmel
sehr freundlich und südländisch dalag. Ich besuchte die Gebäude und Orte, die
ich in diesen Jahren liebgewonnen hatte. Als ich müde wurde, fuhr ich ziellos
mit dem Omnibus umher, als säße ich in einem Kinderwagen.
    In der Mitte des Nachmittags, dann, wenn die Hitze alles und jeden
ein bißchen ohnmächtig macht, stieg ich aus dem Bus und bewegte mich über das
Grün des Schloßgartens hinüber zum Hauptbahnhof. Wie den meisten Leuten, die
hier lebten, war es mir unmöglich, dieses Gebäude zu betrachten, ohne in eine
heftige Trauer und Wut zu verfallen. Eine Gruppe verwunschener, doch in ihrem
Verwunschensein maschinenhaft unbeugsamer Stadt- und Landespolitiker hatte
beschlossen, den Bahnhof zu zerstören und diese Zerstörung als Architektur
auszulegen. Als würde ein Mann seine Frau töten, dieses Verbrechen aber dadurch
rechtfertigen, sich ja eine neue, jüngere anlachen zu wollen. Im konkreten Fall
war es noch schlimmer, da der Mann seine Frau nur halb totschlug (sprich, man
wollte gewisse Teile des alten Bahnhofs erhalten), um ihr sodann zuzumuten, die
Gegenwart der neuen Frau – einer vulgären, auf eine moderne Weise abartigen
Person – zu ertragen. Ja, er würde die Halbtote zwingen, zu dritt im Bett zu
liegen, um es dort aber selbstredend nur mit der Jüngeren zu treiben. Perverser
geht es kaum noch. Einmal davon abgesehen, daß dieses Projekt unglaubliche
Geldsummen verschlingen würde. Was naturgemäß dazugehörte, dieses
Geldverschlingen, dieses Bauen-um-des-Geldausgeben-Willens, diese rotzfreche
Haltung von Menschen, die so tun, als würden sie bloß ihr eigenes, sauer
verdientes Vermögen zum Fenster rauswerfen. (Keine

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