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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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der Art eines Muschelgehäuses hochgesteckt hatte.
Als sei sie ein Einsiedlerkrebs, die Frau.
    Leider war es etwas zu hell, aber das gehörte wohl zu den
Sicherheitsvorschriften. Außer mir standen nur noch zwei andere Männer an der
Bar und unterhielten sich. Ich setzte mich auf einen der festgeschraubten
Hocker und orderte einen Martini. Durchaus im Bewußtsein, daß die Bestellung
dieses Getränks stets eine unfreiwillige Komik beinhaltete.
    Natürlich fragte mich die junge Barkeeperin nicht, ob ich den
Martini denn geschüttelt oder gerührt haben wolle, sodaß ich auch nicht
Casino-Royale-gemäß erwidern konnte, ob ich denn so aussehe, als würde mich das
interessieren. Immerhin erkundigte sie sich nach der Olive. Olive oder
Zitronenscheibe? Erstaunlicherweise verunsicherte mich die Frage. Mir kam es plötzlich
so vor, als wäre jetzt äußerst wichtig, die richtige Antwort zu geben. Richtig
inwiefern? – Ich fühlte mich außerstande, die magische Bedeutung einer Olive zu
erkennen. Eine Bedeutung, die jedoch mit Sicherheit besteht.
    Indem ich nun aber stumm blieb, meinte die junge Frau die
Entscheidung für mich treffen zu müssen und servierte mir den Martini mit einer
Zitronenscheibe. Ich lächelte sie ängstlich an, als sei sie eine verquere Art
von guter Fee.
    Â»Glaubst du im Ernst, damit durchzukommen?«
    Es war nicht die »gute Fee«, die gesprochen hatte. Die Stimme kam
von der Seite. Eine Frau hatte sich neben mich gesetzt. Sie bestellte einen
Espresso und einen Aschenbecher. Auf den Hinweis der Barkeeperin, daß im
gesamten Flugzeug ein Rauchverbot bestehe, beugte sich die Frau leicht vor und
meinte: »Schätzchen, was wollen Sie dagegen tun, wenn ich mir jetzt eine
Zigarette anzünde? Mitten in der Nacht? Alle Kinder sind im Bett. Niemand wird
mich verraten. Oder wollen Sie vielleicht zu Ihrem Captain laufen und ein bißchen
petzen?«
    Â»Darum geht es nicht«, sagte die Barkeeperin.
    Â»Stimmt. Es geht darum, daß ich jetzt sofort mein Quantum Nikotin
nötig habe, weil ich sonst ganz unausstehlich werde. – Tun Sie, was Sie wollen,
rufen Sie Ihren Skymarshal, aber stellen Sie mir endlich einen Aschenbecher
hin. Ich habe keine Lust, das Erdnußbeige dieses Spannteppichs zu versauen.«
    Die Barkeeperin überlegte kurz, dann brachte sie eine Untertasse und
sagte so leise wie eindringlich: »Wäre es möglich, nur diese eine zu rauchen?«
    Die Frau zündete sich ihre Zigarette an, blies einen schönen geraden
Strahl über das Oval der Theke und meinte: »Von mir aus, Schätzchen. Wenn Sie
sich dann besser fühlen.«
    Die beiden Männer sahen kurz herüber, widmeten sich aber gleich
wieder ihrem Gespräch. Sie gehörten nicht zu denen, die sich mit einer solchen
Domina anlegen wollten.
    Keine Frage, ich hätte auch allzugerne darauf verzichtet, mich mit
ihr unterhalten zu müssen. Doch daran führte kein Weg vorbei. Die Frau, die
hier saß und in der Art eines schlanken und eleganten Alptraums die Luft
verpestete, war Claire – und ich also doch nicht verrückt. Wie traurig, wie
unendlich traurig!
    Sie sah mich mit ihren grau und violett schimmernden Perlenaugen von
der Seite her an und wiederholte die Frage, wie ich mir das eigentlich
vorgestellt habe. Mich auf die blödsinnigste Weise in eine Bredouille zu
befördern, eine Schlägerei heraufzubeschwören, um solcherart meiner
Verpflichtung zu entgehen.
    Â»Dachtest du im Ernst«, äußerte Claire mit einer Stimme von großer Voltzahl,
»daß wir das einfach akzeptieren? Und zu allem Überfluß hast du auch noch
Staatsgelder veruntreut. Schon möglich, daß, wenn du brav deinem Auftrag
nachgekommen wärst, man über diese sentimentale Geschichte mit dem Ring für
deine Frau hinweggesehen hätte. Aber so? Ich bitte dich! – Ich hätte große
Lust, dich auf der Stelle zu erwürgen. Und du weißt, daß ich dazu sowohl befugt
als auch in der Lage wäre. Aber angesichts dessen, daß die Zicke dort drüben
schon wegen einer einzigen Zigarette nervös wird, muß ich es wohl auf später
verschieben.«
    Â»Du hast mich die ganze Zeit beobachtet?«
    Â»Na, Gott sei Dank, muß man sagen. Sonst hätten wir den Start
verschieben müssen. Eine Verschiebung zieht immer die nächste nach sich. Man
hinkt von Anfang an hinterher. Und wer bitte möchte bei einer

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