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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Wien?«
    Â»Ich denke, die Wiener sagen sich, daß der Esprit zwar keine Macht
verleiht, trotzdem das Leben versüßt.«
    Â»Auch eingebildeter Esprit?«
    Â»Wieso? Gibt es einen anderen? Ich meine, hier auf der Erde.«
    Ich vermied es, weiter dieses Thema zu behandeln. Ich wollte bloß
wissen, an welche Art von Job Claire für mich dachte. Und fügte auch gleich an,
daß ich ganz sicher nicht bereit wäre, mich als Killer oder Schläger zu
verdingen.
    Â»Das käme mir nie und nimmer in den Sinn«, versicherte sie. »Auch
wenn ich gesehen habe, daß du so was bestens hinkriegst. Siehe Nix. – Aber ich
weiß schon, du fühlst dich als ein Schöngeist.«
    Â»Ich bin einer«, sagte ich so fest und gerade, als sei ich mittels
dieses einzigen Ausspruchs in der Lage, mich und meine Frau und auch gleich das
Bürgerblatt zu retten.
    Â»Gut so«, meinte Claire. »Genau aus diesem Grund, wegen dieser
Schöngeisterei, möchte ich dir die Leitung eines Restaurants übertragen, das
wir Ende dieses Jahres in Wien eröffnen werden.«
    Â»Wer ist wir?«
    Â»Na, Wir-wir«, sagte Claire und schielte nach oben, Richtung
Plafond, meinte aber natürlich erneut X.
    Â»Was erhofft man sich davon?«
    Â»Lieber Himmel, Soonwald, stell dich nicht blöd. Ich rede von einem
Restaurant, in dem die Elite der Stadt verkehren wird. All diese Menschlein,
die meinen, sich ihren Einfluß und ihr Geld redlich verdient zu haben. Und die
dann also in den Luxusrestaurants dieser Welt zueinanderfinden und stolz von
den begangenen Verbrechen schwärmen und von den zukünftigen laut träumen. Es
ist nicht nötig, irgendwelche Wanzen in Botschaften und Regierungspalästen zu
installieren, wenn man die Kontrolle über solche vergoldeten Wirtshäuser
besitzt. Dort wird ganz offen gesprochen. Selbst vor dem Personal, das man für
absolut loyal hält. Was es auch sicher ist. Nur, daß diese Loyalität uns gilt. Den Agenten erster Klasse.«
    Ich ersparte mir, nach dem eigentlichen Zweck einer solchen
Überwachung zu fragen. Das Bedürfnis nach Kontrolle ist auf X noch stärker
ausgebildet als auf der Erde. Kontrolle ist bei uns ein Trieb. Seit jeher. Und
einige unserer kritischen Denker meinen darum, daß unsere Unfähigkeit, die
Vögel unter Kontrolle zu halten, weniger auf einem Fluch beruhe, als einen
evolutionär bedingten Kontrapunkt zu unserem Kontrollwahn darstelle. Doch wer
mag schon – hier wie dort – auf kritische Denker hören?
    Nun, das war nicht mein Thema. Mein Thema war, daß ich nicht nur
keine Lust hatte, nach Wien zu gehen – und auch gar nicht gewußt hätte, wie
Maritta zu etwas Derartigem zu überreden war–,
sondern daß ich zudem von einer starken Abneigung gegen genau jene Kreise
beseelt war, denen ich in einem solchen Restaurant begegnen würde. Ganz
abgesehen davon, daß ich nicht die geringste Erfahrung im gastronomischen
Gewerbe besaß. Es ist ja schon erwähnt worden, daß sich meine Kochkunst in der
Regel auf die Zubereitung einfachster Nudelgerichte beschränkte. Nein, ich war
in jeder Hinsicht ungeeignet, ein Restaurant dieser Gattung zu führen. Somit
einen Gegenstand zu betreuen, der meine zentralen Punkte Verstand, Herz und gute Laune ins Groteske und Abartige verkehrte. Die
gute Laune war an solchen Orten die gute Laune der Kriegsgewinnler. – So sagte
ich das auch.
    Claire verzog das Gesicht zu einer verbogenen Sicherheitsnadel und
erklärte: »Niemand wird verlangen, daß du diese Leute liebst. Noch persönlich
für sie kochen mußt. Ich benötige nicht deine Fähigkeiten als Edelgastronom,
sondern die eines Agenten erster Klasse, der du ja nun mal bist. Den Rest laß
meine Sorge sein. Sobald ich dich in diese Stadt einführe, wirst du
augenblicklich eine bekannte Persönlichkeit sein. Und kein Mensch wird sich darum
kümmern, ob du ein Stück Fleisch vom anderen unterscheiden kannst. Oder meinst
du, die Gäste in solchen Restaurants wären dazu in der Lage? Gleich wie gelackt
sie daherreden. – Merk dir eins, Soonwald, in Wien sind alle – Aristokraten wie
Arbeiter, Manager wie Künstler, vom Hausmeister bis zum Universitätsprofessor,
von der Nutte bis zur Stadträtin –, sind alle Proleten. Vergiß das nie!
Proleten, die mitunter Esprit besitzen…na, wenigstens die Nutten, wenn schon
nicht die

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