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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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auseinander.
    Ich sah ihr hinterher. Ich wußte übrigens, daß, wenn sie gewollt
hätte, sie mich sehr wohl auf der Stelle hätte eliminieren können. Trotz
Zeugen. Sie besaß eine Macht, die im wahrsten Sinne des Wortes nicht von dieser
Welt war.
    Doch offenkundig nützte ich ihr lebend mehr als tot. Was ja meistens
der Fall ist. Vielleicht würde es mir einmal leid tun, den Wiener Bäcker Nix
umgebracht zu haben. Jetzt, wo ich begriff, wie sehr diese Stadt den Dreh- und
Angelpunkt einer von außerirdischer Dämonie beherrschten Welt bildete.
    Zurück auf meinem Sitz, plazierte ich Marittas Kopf wieder
auf meiner Schulter. Sie stöhnte leicht auf. Ich strich ihr über das Haar. Sie
ließ es bereits färben, das Haar. Mein Gott, ich würde es auch lieben, wenn es
einmal vollständig grau wäre. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Ich
fürchtete das eigene Alter, aber mitnichten das Alter meiner Frau.
    Noch ein Blick aus dem Fenster. Tiefes, dunkles Blau und in der
Mitte ein dünner roter Streifen. Natur als geometrische Phrase. Die Welt
erwachte.
    Ich schlief ein.

V
    Und außerdem müßte ein König eigentlich
    verheiratet sein, meine ich
jedenfalls.
    Ohne Frau ist er ungefähr so wie ein
    uneingewickeltes Pralinee.
    Natürlich gibt es uneingewickelte
Pralinees,
    aber die in einem hübschen Papier
sind einfach
    die besseren, nicht wahr?
    Â 
    (Wutz, das sprechende Hausschwein,
in
Max Kruses Urmel spielt im Schloß )
    Â 
    Â 
    Und wer sagt denn,
    daß alles, was wir erleben,
    kein Märchen
ist?
    Â 
    (dieselbe in Max Kruses Urmel zieht zum Pol )
    Â 
    Â 
    Die Frauen überstürzen sich nicht,
sie arbeiten.
    Â 
    (Ernst Herbeck, Im Herbst da reiht der Feenwind )

23  |  Halbes Glück und
ganzes Unglück
    Was ist die Zukunft? Vielleicht die Summe aller
Möglichkeiten.
    Oder aber es ist umgekehrt, und Zukunft besteht darin, sämtlichen
Möglichkeiten auszuweichen. Wenn man nämlich genau hinschaut, kann man
feststellen, daß die Prognosen, die da besagen, es werde einmal so oder so
ausschauen, sich niemals erfüllen. Man sollte das allerdings nicht mit einer
Wettervorhersage verwechseln. Denn das solcherart angekündigte Wetter ist ja
immer bereits vorhanden, nur nicht an dem Ort, für den es gerade prophezeit wird.
    Im Prinzip lugen die Meteorologen durch ein Fernrohr, um dann eine
Wolke zu sichten, von der sie weissagen, sie würde demnächst auch auf unsere
Häupter einen Schatten werfen oder gar herunterregnen. Zukunftsforschung ist
das nicht. Sowenig wie die Wirtschaftsprognosen, welche im Stil eines Paares
Würsteln funktionieren, von denen behauptet wird, daß, wenn wir sie nicht
demnächst verspeisen, sie kalt werden. Und daß sie kalt unbeliebt sind.
Zumindest in einer Kultur heißer Würste.
    Mutmaßungen jedoch, die tief in die Zukunft tauchen – von der Art,
daß wir dann und dann Golfplätze auf dem Mars bauen werden –, sagen eher etwas
über die Wünsche und Träume der Wünschenden und Träumenden aus. Das hat recht
wenig mit Weitblick zu tun, eher ist der Blick extrem kurz, führt nach innen.
Utopie ist geradezu das Gegenteil von Zukunft. Millionen Lottospieler können
davon ein Lied singen.
    Trotzdem gibt es doch auch Personen, die die richtigen Zahlen
voraussehen, zumindest erraten, oder nicht? – Aber: Gibt es sie wirklich? Wo
sind diese Leute? Klar, man kennt sie vom Hörensagen. Und man weiß, daß die
Lottogesellschaften nur darum ihre Namen nicht nennen, um Diskretion zu wahren.
Diskretion? Überall besteht in größtem Maße das Gegenteil von Diskretion, und
ausgerechnet die Lottogesellschaften …
    Nein, wahrscheinlich existieren diese Gewinner nicht wirklich, weil
nämlich prognostizierte Zahlen die Natur haben, sich nicht zu erfüllen.
    Daß freilich hin und wieder auch Wünsche in Erfüllung gehen, von
selbst oder unter leichtem bis heftigem Druck des eigenen Willens, ist etwas
anderes. Das ist eine Frage der Laune. Wessen Laune, das ist die andere Frage.
    Nun, die Zukunft geschah mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit, die
diversen Weissagungen und Prognosen ignorierend. Ein Jahr nach dem anderen
brach herunter vom Baum, wobei der Baum ständig moderner anmutete. Vielleicht
aber war das Moderne bloß eine Narbe, ein Verband oder eine Renovation.
    Stavros Stirling jedenfalls war wieder nach Athen

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