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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Ermittlerkreisen,
daß dieser Lyriker gerne ausgewählte Gedichtbände an
den Tatorten zurückläßt. Trakl bei Frauen, Auden bei Männern. Und es ist
bekannt, daß er hin und wieder in Europa für die CIA arbeitet, weil die sich
nämlich in Europa einfach schlecht zurechtfindet. Europa ist der CIA
unheimlich. Als wär’s ein Film, der rückwärts läuft. Und noch dazu in
Schwarzweiß und ohne Ton und auf eine altmodische Weise experimentell. Ja, man
könnte sagen, für die CIA ist ganz Europa ein verdammter expressionistischer
Kunstfilm. Und darum…
    Wenn die Polizei das Buch findet, wird es keinen Zweifel mehr geben,
weshalb der afrikanische Diplomat hat sterben müssen. Man wird sich sagen: Die
blöde CIA, können die nicht in Amerika bleiben. Können die nicht wenigstens
warten, bis der Afrikaner wieder in Afrika ist und dorthin ihren Killer
schicken. Hier ist schließlich Wien, hier ist die Kultur zu Hause, die
Kammermusik, das Volksstück, hier liegt das Verbrechen noch im Schoß der Familie…
    Nun, was auch immer die Wiener Polizei anzuprangern gedenkt, sie
dürften es wohl kaum wagen, sich bei den Amerikanern offiziell zu beschweren.
Nein, sie werden nach einem ersten kleinen Geheul ihr übliches
Glücklich-ist-wer-vergißt anstimmen. Und in diesem Zusammenhang notwendiger-
und praktischerweise auch den Tod Claire Montbards so bedauernd wie
achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Und mitnichten eine Obduktion vornehmen, bei
welcher zumindest ein sehr aufmerksamer Pathologe sich über einige kleine, aber
erstaunliche Divergenzen zur üblichen Anatomie würde wundern müssen. Denn so
vollkommen identisch sind die Xler und die Menschen nun doch wieder nicht.
    Gibt es überhaupt aufmerksame Pathologen?
    Nun, Maritta würde sagen, man kann das nicht ausschließen. Es gebe
schließlich auch intelligente Zahnärzte und hin und wieder freundliche
Busfahrer und gesunde Sechslinge und Schnee schon im Oktober und …
    Richtig! Weshalb ich zuerst an den Einsatz einer Bombe dachte. Was
in jedem Fall die einfachere und wegen besagter organischer Auffälligkeiten die
sicherere Lösung gewesen wäre. Aber andererseits ist es doch so, daß Bomben zur
Übertreibung und zur Ungenauigkeit tendieren. Sie reißen stets mehr Leute mit
in den Tod als nötig, und nicht immer die richtigen. Es widerstrebt mir, ein
Blutbad im Prinzipal zu verantworten. Nein, es sollen
nur so viele Menschen sterben wie absolut nötig. Und das sind im konkreten Fall
zwei. Der Diplomat und Claire. Wobei die Aufgabe des Killers darin besteht, den
Mann aus Afrika mit sechs, sieben Projektilen niederzustrecken, Claire jedoch
mit einem einzigen Schuß aus dem Verkehr zu ziehen. Das nennt man dann
»verirrte Kugel«. Um nun aber das Risiko, Claire bloß zu verletzen anstatt zu
töten, zu minimieren, wird unser Killer gleich als erstes auf sie schießen und
sodann die verbliebene Fülle seines Magazins im offiziellen Opfer unterbringen.
Kaum anzunehmen, daß irgend jemand die falsche Reihenfolge bemerkt. Es wird
alles viel zu schnell gehen. Wenn Menschen eine Pistole sehen, dann machen sie
automatisch die Augen zu. Nun, Claire allerdings kaum, aber die ist ja auch
kein Mensch. Andererseits wird ihr das wenig nützen, offenen Auges zu erkennen,
daß das Spiel zu Ende ist.
    Jetzt steht er auf, der Mann ohne Namen. Er geht nach
hinten, zu den Toiletten. Dort wird er sich vorbereiten, sich und seine Waffe.
    Stimmt, da sind noch die Bodyguards, zwei vor dem Extraraum, einer
im Hof. Aber die werden kein Problem sein. Bodyguards enden nur als Helden,
wenn sie nicht rechtzeitig zur Seite gehen. Diese drei hier wollen keine Helden
sein. Dafür habe ich gesorgt.
    Ich sehe hinüber auf den Tisch. Das Buch liegt, wo es
liegen soll. Aber… Der
Strickwarenmensch nimmt es in die Hand, sieht sich das Cover an: Auden, klar,
auch wenn Trakl korrekter wäre. – Was will dieser Lorenz Mohn? Ich sollte
hinübergehen und ihm verbieten, fremde Bücher anzufassen.
    Immerhin, er steckt den Band nicht etwa ein, sondern legt ihn zurück
an seinen Platz. Allerdings sind jetzt Mohns Fingerabdrücke auf dem Umschlag,
während unser Killer so etwas wie Fingerabdrücke gar nicht besitzt. Mir gruselt
bei der Vorstellung, was es für Folgen haben kann, daß Lorenz Mohn, immerhin
einst Verdächtiger im Mordfall Nix, auf diesem Buch, welches

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