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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Mächtigen auf X hinweisen würde: diese
Verbarrikadierung tatsächlicher Anlässe.
    Es ist ein Unglück. Doch mein Befehl ist eindeutig. Ich soll die
Tötung Claires veranlassen. Man bedenke: Ein Schöngeist wie ich, ein Mann, der
am liebsten nichts anderes tun würde, als die Publikation neuer und alter
Poesie zu fördern, ja, ein solcher »Mensch« ist dazu angehalten, sieben Jahre
nach seinem ersten Mord, der immerhin noch ein wenig als Unfall gedeutet werden
kann, nun einen weiteren zu begehen, diesmal in vollem Bewußtsein des Unsinnigen.
Und nur, weil ein paar wichtige Leute auf X es so wollen, Leute, die ich nie zu
Gesicht bekommen habe, von denen ich absolut nichts weiß, außer daß sie
unglücklicherweise als meine Vorgesetzten fungieren. Leute, die lediglich sauer
sind, weil man ihre blöden Wetterhäuschen auf Pluto entdeckt hat.
    Heute abend wird es geschehen. Hier im Lokal. Denn um das Abstruse
des Befehls noch zu steigern, soll der Mord an Claire ein getarnter sein. Es
darf nicht offenkundig werden, daß der Anschlag ihr gilt, sondern muß so
aussehen, als sei Claire bloß tragischer Part eines kollateralen Schadens. Auf
daß nicht etwa die Wiener Polizei auf die Idee kommt, sich näher mit Claires
Biographie zu beschäftigen.
    Meine Güte, die da oben auf X haben nicht die geringste Ahnung von
der Wiener Polizei! Was stellen die sich vor? Daß hier Supergehirne zugange
sind, die nicht nur eins und eins zusammenzählen, sondern zudem komplizierte
Logarithmen berechnen und am Ende Claires wahre Identität erkennen, um in der
Folge sämtliche X-Agenten zu entlarven und auszuschalten? Ist es das, was die
von der Wiener Polizei erwarten? Einer Polizei, die kaum in der Lage scheint,
dem Hundedreck auf den Gehwegen Herr zu werden, ja die eine gewisse satirische
Berühmtheit im karitativen Umgang mit dem Verbrechen erlangt hat. Bankräuber
aus dem ganzen Universum sehnen sich nach einer solchen Polizei. Einer Polizei,
deren Präsident jeden zweiten Abend bei uns im Lokal sitzt. Der Mann ist
hirnlos wie eine Schreibmaschine aus alten Tagen, kann aber lange nicht so gut
schreiben. Und dafür ein derartiger Aufwand? Um Blinde und Taube an der Nase
herumzuführen, Schreibmaschinen, die nicht schreiben können?
    Ich sehe auf die Uhr. In einer Stunde werden sie kommen,
wichtige Leute, wie man so sagt. Leute, die eine Art Afrika-Club gegründet
haben, dessen Slogan lauten könnte: Afrika den Afrikanern, jedoch unter
chinesischen Vorzeichen. Schwarze, weiße, gelbe Unternehmer, und allesamt um
einen Warenverkehr bemüht, der ohne Amerikaner funktioniert. Sollen die Amerikaner
den Pluto erobern, aus Afrika hingegen möchte man sie verbannen. Es
funktioniert einfach nicht mit ihnen. Es liegt an ihrer Sicht der Dinge, einer
hinterwäldlerischen, die freilich mit einem hochmodernen Apparat daherkommt,
und gar nicht so sehr an ihrer Kriegslust. Bekanntermaßen sind auch die
Afrikaner ganz schön kriegslustig, wobei die Europäer bis heute gerne so tun,
als hätte man es tatsächlich mit edlen Wilden zu tun. Wär’s nur so! Mehr wild
als edel. Aber das gilt ebenso für die Amerikaner. Und genau darum plant man,
sie aus Afrika zu verdrängen, weil man schließlich keinen verzerrten Spiegel
der eigenen Unarten brauchen kann, sondern jene Ruhe und Besinnung, die diesen
ganzen Kontinent aus seiner Besinnungslosigkeit herausführt.
    Wenn es dabei nicht ganz ohne fremde Macht geht, dann schon lieber
die chinesische, die gar nichts reflektiert. Das Chinesische ist kein Spiegel,
sondern, bekanntermaßen, eine Mauer.
    Um zehn Uhr kommen sie, die zwölf Clubmitglieder aus
Afrika und Europa und China, begleitet von Claire, die wie ein eleganter großer
Vogel ihre breiten Schwingen um dieses Nest aus den Freunden des »Herzens der
Finsternis« breitet. Und in diesem Nest wird immerhin ein Mann sitzen, der auf
der Todesliste der CIA steht. Ihm wird offiziell der Anschlag gelten, dem
Claire, die hier alle Montbard nennen, zum Opfer fallen soll. So der Plan.
    Ja, so der Plan. Und da marschiert nun ein Mann zur Tür herein, der
hier nie und nimmer hereinmarschieren dürfte, der beim besten Willen nichts auf
der Tischreservierungsliste dieses Lokals zu suchen hat. Bei dem es sich, wenn
ich mich recht entsinne, um den Besitzer eines Strickwarenladens handelt, eines
Ladens, der zu allem Überfluß den Namen Plutos

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