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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sehr bald ein
wichtiges Beweisstück sein wird, den dummen Abdruck seiner dummen Fingerkuppen
hinterläßt.
    Ich fühle mich unwohl. Ich gebe Oskar ein Zeichen, dem Mann hinter
der Theke. Früher hat er in einer kleinen Bar gearbeitet. Ich habe ihn
hierhergeholt. – Wären nur alle Menschen wie Oskar. Er weiß sofort, was ich
meine, und schenkt mir ein Glas Wein ein. Nicht das Zeug, das wir den Leuten
als magischen Tropfen andrehen, sondern einen richtig guten Roten aus dem
heiligen Burgenland. Ich hebe das Glas an, trinke.
    In diesem Moment ist mir der Blick verstellt. Aber man kann eben
nicht alles haben.

29  |  Ablöse
    Lorenz Mohn sah noch einmal auf das Buch. Er dachte nach.
Auden? Das war doch dieser Schwule, der damals Erika Mann geheiratet hatte, um
sie aus Deutschland hinauszubekommen.
    War es wirklich Auden gewesen? Oder nicht vielleicht Arthur
Koestler?
    Wenn er wieder zu Hause war, würde er gleich einmal nachsehen. Es
erschien ihm plötzlich ungemein wichtig, festzustellen, wer von den beiden Schriftstellern
der burschikosen Mann-Tochter zur Flucht aus Nazideutschland verholfen hatte.
Auden oder Koestler? So wie man sagt: leben oder sterben? Und im Falle eines
Neglectikers: rechts oder links?
    Mohn stand auf. Er fühlte sich jetzt durchaus wie an den Fäden eines
Puppenspielers hängend, welcher ihn in die Höhe zieht. Auch seine Augen
schienen von solch unsichtbaren Fäden geführt. – Na, es war nur so ein Gefühl.
Es gab keine Puppenspieler, es gab allein einen Instinkt, der wie ein Faden
funktioniert. Und Mohns Instinkt leitete ihn dazu an, an die Stelle zu
wechseln, wo ein schmaler Gang die Toiletten und Nebenräume von dem Vorraum
trennte, welcher jenem Gastzimmer vorgelagert war, in dem Claire Montbard und
ihre Männer saßen.
    Als sich Mohn zwischen den Gästen hindurchzwängte, ging sein Blick
kurz hinüber zu der Theke. Dort stand ein Mann und trank ein Glas Wein. Sein
Gesicht war fast vollständig von diesem Glas verdeckt. Mohn fühlte sich von
diesem Anblick auf das angenehmste berührt, von der Einfachheit, die wie der
Titel eines Gemäldes funktionierte: Mann mit Glas.
    Wie »Kind mit Hund« oder »See im Sonnenlicht«. Eine schlichte, gute
Welt.
    Doch die Welt war weder schlicht noch gut. Durch eine offene Türe
hindurch konnte Mohn jetzt erkennen, wie der Clooney-Typ aus dem
Verbindungsgang trat, sich aber nicht zurück in den Hauptraum bewegte, sondern
hinüber zu Claire und ihren Afrikanern. Dorthin, wo zwei bullige Männer
standen. Der Clooney-Typ nickte ihnen zu. Sie nickten zurück und verließen
postwendend ihren Platz, ganz in der Art, als würden sie abgelöst werden. Eine
Ablöse war es ja wohl auch.
    Mohn begriff. Es war soweit. Die Fäden, an denen er hing, zogen ihn
nun mit unheimlicher Kraft nach vorn. Er flog geradezu. Er war schneller als je
in seinem Leben.

30  |  Mann ohne Glas
    Mein Gott, ist das ein guter Wein! Ich habe ihn so bitter
nötig, daß ich fast das halbe Glas in einem Zug austrinke, bevor ich es neben
mich auf die Theke stelle. Oskar lächelt mir zu. Wie ich schon sagte, wären
bloß alle …
    Jetzt schaue ich hinüber an den Tisch, wo noch immer der Band mit
Gedichten W. H. Audens liegt. Das ist gut so. Nicht gut ist, daß Lorenz Mohn…
    Ich reiße meinen Kopf mit einer Heftigkeit herum, als wollte ich
mich solcherart köpfen. Jetzt sehe ich ihn. Er ist auf dem Weg zu Claire. Ein
paar Schritte vor ihm der Killer, welcher soeben seine Waffe anhebt und die
Verbindungstüre zur Seite schiebt.
    Wie gern würde ich wieder nach dem Wein greifen! Es gibt zwar auch
Wein auf X, doch ist seine Wirkung dort bei weitem nicht so erfreulich. Er
tröstet nicht, läßt nicht vergessen, macht nur ein wenig blöd. Doch der Wein
hier auf der Erde… Wie schön es wäre,
so lange zu trinken, bis das alles vorbei ist. Die Dinge vertrinken, wie man
die Dinge verschläft. Aber leider ist jetzt weder schlafen noch trinken
angesagt. Ich setze mich, so rasch es geht, in Bewegung, ich muß diesen
Strickwarenmenschen davon abhalten, uns alle unglücklich zu machen.
    Ich höre einen Schrei. Offensichtlich hat jemand soeben bemerkt, daß
ein Mann mit einer Waffe im Türrahmen steht und dem Abend eine unerwartete
Wende gibt.
    Dann fällt der erste Schuß. Ich erreiche Lorenz Mohn nicht mehr.
    Es heißt bei den Menschen

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