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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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vorbei –, unterließ er es jedoch, große Umstände zu machen und
irgendwelche Geschichten von anderen Interessenten aufzutischen. Statt dessen
unterbreitete er einen realistischen Mietpreis. Zudem verzichtete er auf eine
dieser rätselhaften Investitionsablösen, wie sie gang und gäbe waren, ohne daß
je ein Mieter begriffen hätte, von welchen Investitionen da eigentlich
gesprochen wurde. Etwa jene Porsches vor der Türe, welche Montbard erwähnt
hatte?
    Dieser Makler hingegen – und das ist kein Witz – war mit der
Straßenbahn gekommen. Was hatte das zu bedeuten? War das eine besondere Art von
Gerissenheit? War das einfach ein weiterer Beweis für die magische oder
dämonische Bedeutung der bisherigen Fügungen? Ein Porsche vor der Türe ist
schlimm, aber wenn jemand, der Makler ist, mit der Straßenbahn kommt, sollte
man lieber drei Kreuze schlagen und das Weite suchen.
    Anstatt genau das zu tun, war Lorenz einfach froh, daß der
unfreundliche Mensch jegliches Theater unterließ und sich die finanzielle Seite
simpel gestaltete. Der relativ geringe Mietpreis entsprach der Lage des
Geschäfts. So nett dieses Gäßlein war, war es dennoch ein verlassenes Gäßlein,
fern von der Innenstadt, fern der nächsten größeren Einkaufsstraße, ein
Geheimtip eben. Aber exakt das wollte Lorenz ja auch mit seinem Laden
erreichen, ein Geheimtip zu werden, eine Schatztruhe, ein anziehendes Ende der
Welt. Der Name dieses Weltendes lautete: Rosmalenstraße.
    Â»Ich zeige Ihnen jetzt das Übrige«, sagte der Makler, blickte an
Lorenz vorbei und bewegte seinen für Straßenbahnfahrten viel zu massigen Körper
durch eine kleine Türe in einen Hinterraum. Lorenz folgte ihm und geriet
solcherart in eine beträchtliche Dunkelheit.
    Â»Da sollte irgendwo ein Licht sein«, meinte der Makler.
    Normalerweise befanden sich Lichtschalter natürlich nahe der
Türstöcke. Doch auch Lorenz entdeckte nichts dergleichen. Er ließ es bleiben
und begab sich tiefer in die räumliche Nacht. Wobei sich versteht, daß aus dem
Hauptraum Tageslicht hereindrang, aber dieses Licht verlor rasch seine Kraft,
wirkte nur mehr als kümmerliche, diffuse Strahlung, wie ausgequetscht,
gewürgtes Licht, eher tot als lebendig, jedenfalls kaum noch in der Lage, die
Ausmaße dieses Raums, seine Tiefe, deutlich zu machen.
    Â»Ich nehme an«, sagte der Makler, der nahe der Türe verblieben war
und im Zwielicht an eine impressionistische Verschleierung erinnerte – Paris
bei Nebel –, »daß irgendwo da hinten die Toilette ist. Und eine kleine Küche.«
    Â»Keine Fenster?« wunderte sich Lorenz.
    Â»Keine Fenster. Aber eine Türe, die hinaus ins Treppenhaus führt.
Leider fehlt der Schlüssel. Und außerdem…wir bräuchten eine Taschenlampe. Haben Sie
eine Taschenlampe dabei?«
    Nun, wenn überhaupt, dann wäre es eigentlich die Aufgabe des Maklers
gewesen, auf eine solche Weise ausgerüstet zu sein. Nämlich die Möglichkeit von
Immobilien bedenkend, die ohne Strom oder zumindest ohne Glühlampen waren. Wenn
man schon mit dem Fehlen von Lichtschaltern nicht rechnete.
    Â»Nein, ich habe nie eine Taschenlampe bei mir«, erklärte Lorenz.
»Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Ich nehme das Objekt in jedem Fall.«
    Â»Sie müssen wissen, was Sie tun«, sagte der Makler, so wie man sagt:
Erschießen können Sie sich immer noch.
    Es war in der Tat ungewöhnlich, daß Lorenz in keiner Weise darauf
bestand, den hinteren Raum, der sowohl als Lager als auch Büro fungieren würde,
bei Licht zu betrachten. Und ihn also nicht bloß als ein schwarzes Loch
wahrzunehmen, in dem alles mögliche stecken konnte, etwa Schimmelbildung. Doch
es war nun mal nicht die Aufgabe des Maklers, die Dummheit von Kunden zu
hinterfragen. Er sagte: »Ich lasse den Vertrag aufsetzen.« Zudem versprach er,
einen Elektriker zu beauftragen, sich an einem der nächsten Tage um das Licht
zu kümmern.
    Â»Tja«, meinte der Makler abschließend, als könne er auch nichts
dafür, daß die Welt so war, wie sie war. Dann bat er Lorenz, am Folgetag zur
Vertragsunterzeichnung in seinem Büro zu erscheinen.
    Die zwei Männer traten aus dem Laden, beide ein wenig irritiert ob
der Helligkeit, die man tief in der Schwärze des rückwärtigen Raums nicht für
möglich gehalten hätte, gaben

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