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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Lüge
aufzutischen, wenn es denn eine gute Lüge ist. Eine
Lüge, mit der die Menschen besser leben können als mit der Wahrheit.
    Mein Beschluß bestand darin, eine haargenaue Kopie des Fossils
herstellen zu lassen, um sodann eine Auswechslung vorzunehmen. So würde niemand
unter dem Verlust zu leiden haben. Sagte ich mir. Daneben war freilich auch der
Vorteil gegeben, daß es leichter sein würde, ein nicht vermißtes denn ein
vermißtes Objekt außer Landes zu bringen. Doch in meinem Kopf steckte in erster
Linie der Wille zu einer guten Lüge. Weil die
Wahrheit hier eben nicht zumutbar war.
    Als erstes benötigte ich jemanden, der in der Lage war, eine
perfekte Nachbildung des Solnhofener Exemplars herzustellen. Und ich brauchte
jemanden, der über die Alarmanlage Bescheid wußte, mit welcher der alte Vogel
gesichert wurde.
    Ich habe durchaus Verbindungen. Denn sosehr meine Umwelt mich als
den gedankenverlorenen, allein von einer Unmenge von Freizeit konditionierten
Ehemann einer sehr viel vitaleren und in jeder Hinsicht praktischen Ärztin
empfinden mag, so steckt trotzdem der ausgebildete Agent in mir. Noch dazu ein
Agent erster Klasse. Mein in fünf Jahrzehnten gewachsenes Bäuchlein ändert
nichts an meiner Fähigkeit zu kämpfen, zu täuschen, zu tricksen und in der Not
auch unkonventionelle Wege zu beschreiten. Zudem habe ich in diesen fünfzig
Jahren ein kleines Netz von Informanten sowie einige Kontakte zur Unterwelt
aufgebaut. Zur Unterwelt darum, weil man mit diesen Leuten besser reden kann.
Weil sie verläßlicher sind. Manche von ihnen scheinen einen Hang zu
gewaltvollen und inhumanen Lösungen zu haben, doch nicht wenige sind
vernünftige Leute, die ein klares Wort zu schätzen wissen. Die Geschäfte, die
sie machen, mögen unmoralisch sein, aber das ist das Wesen von Geschäften an
sich. Das Geschäftemachen erzeugt nicht eine kriminelle Energie, sondern
umgekehrt. Und das ist ja auch logisch. So wie ein Auto nicht das Benzin
antreibt und der Vogel nicht den Himmel auf seinen Flügeln trägt. Viel Energie,
viele Geschäfte. Ich rede nicht von der Milch, die jemand produziert, damit
jemand anderer sie trinkt, sondern von den Leuten, die zwischen der Milch und
dem Milchtrinker stehen und jede erdenkliche Komplikation provozieren und
absolut kein Verbrechen auslassen, um von all den sinn- und zwecklosen Umwegen
zu profitieren. Geschäftsleute empfinden derartiges als Geschicklichkeit, und
so kann man es ja sehen. Kriminell ist es dennoch. – Auch wenn die Menschen
sich dies nicht gerne eingestehen: Der Menschenhandel und der Milchhandel
unterscheiden sich nur im Produkt, nicht in der Vorgehensweise.
    Ich muß übrigens noch erwähnen, daß ich auf X das Töten erlernt
habe. Es gehört dazu, selbst bei uns. Die Reduktion auf kleine und unwichtige
Kriege und ein gewisses Stillhalten zwischen den Nationen haben nichts daran
ändern können, daß das Spitzelwesen, das Agentenwesen, die Spionage, dieses
Bedürfnis, Kontrolle zu gewinnen und Kontrolle zu verteidigen (auch wenn man
dazu listigerweise Freiheit sagt, als würde man ein Haifischbecken als Aquarium
bezeichnen, was man ja kann, aber…),
kurz: daß dies alles genauso blüht und gedeiht wie auf der Erde.
    Einer meiner Informanten riet mir davon ab, die Kopie eines solchen
Fossils in Stuttgart herstellen zu lassen. Es könnte sich herumsprechen. Da sei
es besser, die Fälschung im Ausland in Auftrag zu geben. In Österreich lebe ein
Mann, der sich besser als jeder andere dafür eigne. Einerseits wegen seiner
faktischen Fähigkeiten. Und andererseits, weil er dank seiner Leidenschaft für
diese ganz Ausgraberei – dieses Auf-den-Kopf-Stellen der Erdgeschichte – in
eine finanzielle Sackgasse geraten sei. Ideale Bedingungen also.
    Ich informierte mich über den Mann. Ein Bäcker aus Wien.
Ein Bäcker ohne Bäckerei, zumindest hatte er seinen Laden geschlossen, um sich
nur noch einem Hobby zu widmen, für das ihm eigentlich das Geld fehlte. Sein
Name war Nix. Komischer Name, dachte ich. Aber mir sind Namen nicht so wichtig.
Ich schaue auch nicht auf die Hände einer Person oder ob jemand schwitzt oder
schön trocken bleibt, sowenig, wie ich der Zahl 13 auszuweichen versuche. Nix
also, von mir aus.
    Ich rief ihn an und kam ohne Umschweife darauf zu sprechen, was ich
von ihm wollte. Bevor er noch etwas Ablehnendes

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