Gewitterstille
um nicht weiter nachzufragen. Bendt unterließ es, mögliche Missverständnisse aufzuklären.
»Hallo«, rief Anna betont fröhlich und stellte das Tablett etwas umständlich auf dem Terrassentisch ab, bevor sie zu den beiden Männern in den Garten hinüberging.
Sie hauchte Georg einen Kuss auf die Wange. »Ich hab dich gar nicht kommen hören!«
»Hallo. Fertig geduscht?«
»Sophie ist aufgetaucht, und es geht ihr gut«, platzte Anna heraus.
Für einen kurzen Moment verschwand der grimmige Ausdruck aus Georgs Gesicht. »Das ist eine wunderbare Nachricht.«
Anna wusste, dass auch er große Erleichterung empfand. Dennoch kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, dass ihm die Frage unter den Nägeln brannte, weshalb ein Kommissar in ihrem Garten mit seiner Tochter spielte, während sie unter der Dusche stand.
»Sophie ist in Südfrankreich«, erklärte Bendt, dem die Anspannung zwischen Anna und Georg nicht zu entgehen schien. Anna ärgerte sich darüber, dass sie den Drang verspürte, sich Georg gegenüber zu rechtfertigen. Auf sonderbare Weise kam sie sich vor, als habe er sie mit einem Liebhaber in flagranti erwischt.
»Stell dir vor, Georg, Sophie ist bei ihrer Mutter.«
»Das ist ja großartig«, sagte Georg und wandte seinen Blick Emily zu, die gleich nachdem Georg sie abgesetzt hatte, wieder in ihren Swimmingpool zurückgeklettert war und jetzt erneut Bälle in Bendts Richtung warf.
»Entschuldige, dass ich einfach durch den Garten hereinspaziert bin. Ich hätte klingeln oder mich anmelden sollen. Wenn du möchtest, nehme ich Emily einfach mit, dann seid ihr hier ungestört.«
»Nein, das musst du wirklich nicht! Ich meine, Ben – also Herr Bendt – ist nur vorbeigekommen, um mir die guten Nachrichten zu überbringen, nichts weiter. Du kannst gern bleiben. Ich wollte ohnehin dringend mit dir reden. Ich möchte zu Sophie fahren, um für sie da zu sein, wenn sie mich braucht. Wir wissen überhaupt nicht, in welcher Verfassung sie ist und wie sie das Treffen mit ihrer Mutter verarbeitet. Ich möchte verhindern, dass sie mir ein weiteres Mal verloren geht, und sie wieder nach Hause holen. Die Schulferien sind vorbei, und Sophie fehlt jetzt bereits seit einer Woche. Ich möchte nicht, dass sie so viel versäumt, dass sie nächstes Jahr womöglich noch durchs Abitur fällt. Für Emily wäre es eine unnötige Strapaze mitzufahren.«
Sie gingen zum Tisch hinüber, und Georg setzte sich einen Moment, lehnte den angebotenen Kaffee aber dankend ab. Stattdessen begann er seinen Terminkalender im iPhone zu studieren.
»Ich hätte dich ohnehin gebeten, Sophie anzurufen und herauszufinden, ob sie weiß, wo Asmus sich gegebenenfalls aufhält«, sagte nun Bendt und setzte sich Georg gegenüber neben Anna an den Tisch.
»Weshalb tun Sie das nicht selbst?«, fragte Georg, und seine Stimme klang ungewohnt streng. »Ich denke, Sie ermitteln in dem Fall.«
»Das ist nicht so einfach«, schaltete sich Anna ein. »Ein deutscher Kommissar kann nicht so mir nichts, dir nichts mal in Frankreich anrufen und eine Zeugin vernehmen oder dorthin fahren. Er ist nicht befugt, in die Kompetenzen der französischen Behörden einzugreifen. Das muss alles im Wege der Rechtshilfe veranlasst werden.« Anna reichte Bendt eine Tasse Kaffee und schenkte sich selbst ein Glas Wasser ein.
»Was ist, wenn sich dieser Mörder in der Nähe von Sophie aufhält und du dorthin fährst?«, fragte Georg, wäh rend er Emily half, auf seinen Schoß zu krabbeln. »Du bist der Grund dafür, dass man ihm überhaupt auf die Schliche gekommen ist. Wer weiß, ob er sich nicht vielleicht an dir rächen will? Ich bin überhaupt nicht dafür, dass du allein nach Frankreich fährst.«
»Ich halte es für absolut unwahrscheinlich, dass Jens Asmus noch in Sophies Nähe ist, geschweige denn, dass ich in Gefahr wäre.«
»Auch wenn du nicht in Gefahr sein solltest, werde ich wenn möglich mit nach Frankreich fahren«, sagte Bendt, und er klang dabei so entschlossen, dass Anna, die gerade einen Schluck aus ihrem Wasserglas trank, sich verschluckte und husten musste. »Sophie sollte so schnell wie möglich vernommen werden«, fuhr Bendt fort. »Vonseiten der Staatsanwaltschaft ist bereits im Wege der Rechtshilfe ein Vernehmungsersuchen gestellt worden. Sollte sie sich entschließen, für längere Zeit dort zu bleiben, bleibt uns ohnehin kein anderer Weg.«
Anna entging der prüfende Blick nicht, mit dem Georg den Kommissar musterte. Sehr langsam griff er nun doch
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