Gewitterstille
Kaffee. Auf dem großen rustikalen Eichentisch hatte Beate ein Tablett mit einer Käseplatte, verschiedenen Gläsern Marmelade und einer Schale frischer Erdbeeren abgestellt.
»Guten Morgen«, sagte sie, während sie die Hände an ihrer Schürze abwischte, die sie über Jeans und einer kurzärmligen weißen Bluse trug. »Ich hoffe, du hast gut geschlafen?«
»Ganz gut, danke«, antwortete Sophie und registrierte gleichzeitig, dass Beate vermutlich kaum ein Auge zugemacht hatte. Sie sah müde und erschöpft aus.
»Wir können im Garten frühstücken. Ich habe für uns den Tisch auf der hinteren Terrasse gedeckt.«
Sophie blickte durch die offen stehende Küchentür, die in den Garten hinausführte, wo eine Gruppe weißer Holzgartenmöbel unter einem roten Schirm aufgestellt war.
»Gern.« Sophie ließ sich von Beate helfen, die kleine Stufe in den Garten zu überwinden.
»Du lebst in einem Paradies.« Sophie blickte über die atemberaubenden Berge, deren Weite und Schönheit ihre Traurigkeit noch größer zu machen schienen.
»Ich wünsche mir, dass wir sehr oft gemeinsam hier sitzen werden. Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich mir gewünscht habe, dir das alles hier zu zeigen. Ich möchte so vieles nachholen, Sophie.« Sophie vermied es, Beate anzusehen, deren Stimme jeden Moment zu kippen drohte.
»So viele Jahre kann man nicht nachholen«, sagte sie bitter und griff nach der Tasse Kaffee, die Beate ihr eingeschenkt hatte. »Du hättest mich holen können. Mag ja sein, dass du früher krank warst, aber irgendwann hättest du mich holen können.«
»Glaub mir, ich wünschte, ich hätte vieles anders gemacht«, sagte Beate, während sie in ihrer Hosentasche nach einem Taschentuch suchte. »Aber ich wusste auch nicht, was es in dir auslösen würde, was es für dein Verhältnis zu deinem Vater bedeuten würde.«
»Was immer es bedeutet hätte, ich hätte ihn jedenfalls zur Rede stellen können.« Es entstand eine kurze Pause, bevor Beate weitersprach. »Frau Lorenz hat angerufen. Sie fragt, wann du nach Lübeck zurückkommen willst. Sie möchte herkommen und dich abholen, wenn du nichts dagegen hast.«
»Du meinst wohl eher, sie möchte herkommen, um he rauszufinden, wo Jens Asmus ist«, sagte Sophie verächtlich.
»Das glaube ich nicht. Sie hat sich wirklich sehr große Sorgen um dich gemacht, Sophie, und ich auch. Weißt du denn, wo er jetzt ist?«
»Natürlich nicht! Und ich will auch nie wieder etwas mit ihm zu tun haben.«
Beate sah Sophie durchdringend an. »Es hat mir nicht gutgetan, so lange mit einer Lüge zu leben. Ich glaube, dass es dir auch nicht guttun kann.«
32. Kapitel
K ommissar Braun legte gerade das Telefon zurück auf die Station, als Bendt in sein Büro trat. Der blieb wie angewurzelt vor Brauns Schreibtisch stehen und starrte ungläubig auf eine durchsichtige Plastikschüssel, die vor seinem Chef auf der abgenutzten Schreibunterlage stand.
»Ist das etwa ein Salat?«
»Ich habe schon immer gewusst, dass du ein scharfsinniger junger Mann bist«, erwiderte Braun. »Aus dir wird noch etwas.«
Bendt sah sich im Raum um, hob dann demonstrativ eine von Brauns Akten hoch, die auf dem Schreibtisch lagen, und guckte darunter.
»Hast du mit irgendjemandem das Büro getauscht, oder soll ich wirklich glauben, was ich da sehe? Jetzt sag schon – wo ist die Currywurst?«
»Gisela zwingt mich dazu«, sagte Braun, hob eines der Salatblätter mit spitzen Fingern in die Höhe und sah Bendt mit gequälter Miene an.
»Sehr gut.« Bendt grinste hämisch. »Warum sollte sie auch ein Interesse daran haben, nach dir zu sterben, du hast ja ohnehin nichts zu vererben. Sie muss dich also gut pflegen, damit du noch eine Weile für sie sorgen kannst.«
Braun hob drohend seine Gabel.
»Du kannst ein Verfahren wegen Erpressung und Bedrohung gegen sie einleiten. Sie hat gesagt, dass sie mich umbringt, wenn sie mich mit einem Ketchupfleck auf dem Hemd erwischt.«
»Tja, die einen Frauen fahnden nach fremdem Lippenstift auf dem Kragen ihres Gatten, und deine fürchtet sich eben nur noch vor Ketchup.«
»Ich beantrage gleich deine Versetzung«, sagte Braun lachend, bevor er sich wieder dienstlichen Themen zuwandte. »Wie es aussieht, waren Asmus und Sophie bis vor drei Tagen in einem kleinen Motel abgestiegen. Sie müssen ziemlich kurz nach Sophies Telefonat mit ihrer Freundin aufgebrochen sein. Wir haben inzwischen auch ermittelt, dass in der Nacht von Sophies Verschwinden in einer Klinik bei
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