Gezaehmt im Bett einer Lady
weitreichend die Schwierigkeiten waren.
Sie hatte sich einfach gesagt, dass viele Männer kein zutreffendes Bild von sich selbst hatten. Wenn Bertie beispielsweise in einen Spiegel schaute, glaubte er, ein Mann mit Verstand blickte zurück. Wenn Dain in seinen schaute, entging ihm irgendwie das Ausmaß seiner körperlichen Schönheit. Was seltsam war bei einem Kunstkenner, aber Männer waren nun einmal nicht unbedingt logisch.
Was die Liebe von Frauen anging, war selbst Jessica nie begeistert gewesen, wenn sie die Möglichkeit in Betracht zog, sie könne sich in ihn verlieben. Daher war es verständlich, dass andere Frauen -selbst hartgesottene Professionelle - der Ansicht waren, dass das mehr war, als sie in Angriff nehmen wollten.
Sie hätte ebenso erkennen müssen, dass das Problem tiefer reichte. Sie hätte die Hinweise besser deuten müssen: seine starke Empfindsamkeit, sein Misstrauen Frauen gegenüber, sein Unbehagen in seinem Heim, seine Bitterkeit seiner Mutter gegenüber, das Porträt seines gestrengen Vaters und Dains widersprüchliches Verhalten Jessica gegenüber.
Sie hatte gewusst - hatte ihr das nicht sogar jedes Gespür entgegengeschrien? -, dass er sie verzweifelt brauchte, etwas von ihr benötigte.
Er brauchte, was jeder Mensch brauchte: Liebe.
Aber er brauchte es viel mehr als die meisten anderen, weil er offenbar nicht einmal das absolute Mindestmaß erhalten hatte, seit er ein Baby war.
...er nimmt alles für selbstverständlich: ihr Lächeln, ihren Trost, ihre Geduld ... und ihre Verzeihung.
Jessica wusste, sie hätte lachen müssen, wie er es getan hatte, alles oberflächlich halten, egal was sie empfand. Sie hätte nicht von Müttern sprechen sollen und den kleinen Jungen, die sie liebten. Dann hätte Dain nicht zu ihr aufgesehen, wie er es getan hatte, und sie hätte nicht den einsamen kleinen Jungen in ihm erkannt. Sie hätte nicht für dieses Kind gelitten, und Dain hätte den Kummer in ihrem Blick nicht gesehen.
Jetzt würde er glauben, sie hätte Mitleid mit ihm - oder sogar, dass sie ihn absichtlich dazu verleitet hatte, sich zu verraten.
Er war vermutlich wütend auf sie.
Nicht, betete sie stumm. Sei wütend, wenn es nicht anders geht, aber kehr mir nicht den Rücken zu, und geh nicht einfach weg.
Dain ging nicht.
Dennoch, wenn sie nicht das unvernünftige Verhalten von Männern gewohnt gewesen wäre, hätte sein Verhalten in den nächsten paar Tagen jede Hoffnung zerstört, die sie gehegt hatte, irgendetwas mit ihm zu führen, was einer echten Ehe nahekam. Sie wäre zu der Erkenntnis gekommen, dass er wirklich Beelzebub war und niemals ein kleiner Junge gewesen - ganz zu schweigen ein trauriger einsamer kleiner Junge - sondern ausgewachsen dem Schädel des Fürsten der Finsternis entsprungen sei, so wie Athene Zeus’ Haupt entsprungen war.
Aber das, erkannte sie bald, war es, was Dain sie glauben machen wollte: dass er ein herzloser Wüstling sei, dessen Hauptinteresse an ihr lüsterner Natur war und der sie als amüsantes kleines Spielzeug betrachtete, mehr nicht.
Bis Freitag hatte er sie auf der Fensterbank in seinem Schlafzimmer genommen, in einem Alkoven in der Gemäldegalerie, unter dem Klavierflügel im Musikzimmer und an der Tür von ihrem Salon -und das auch noch vor dem Porträt seiner Mutter. Und mit dieser Aufzählung war nur das abgedeckt, was bei Tag geschehen war.
Wenigstens war er beständig leidenschaftlich, wenn sie sich liebten. Was auch immer er sonst Vorspielen konnte, wenn er kühl und rational war, er konnte nicht so tun, als begehrte er sie nicht - und zwar heftig - oder als ob es nicht von entscheidender Wichtigkeit für ihn wäre, sie dabei halb verrückt vor Verlangen zu machen.
Den Rest der Zeit jedoch war er der Dain, für den ihn alle Welt hielt. Er konnte mehrere Stunden am Stück liebenswert und sogar charmant sein. Dann aber auf einmal, ohne erkennbaren Anlass, würde er anfangen, sie mit Sarkasmus zu überhäufen und herablassend zu ihr zu sein oder mit fein kalkulierter Absicht ein paar Bemerkungen fallen zu lassen, die sie blind vor Wut machen sollten.
Die Botschaft lautete in anderen Worten, dass Jessica ihn begehren durfte; sie durfte ihn aber keinesfalls mit anderen Gefühlen belästigen wie Zuneigung oder Mitleid. Sie durfte, um es kurz zu machen, nicht versuchen, ihm unter die Haut zu gehen oder gar -was der Himmel verhüten möge - sich in sein schwarzes verdorbenes Herz zu schleichen.
Das alles war restlos unfair, denn das
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