Gezaehmt im Bett einer Lady
trotziges Kindergesicht erschien vor seinem geistigen Auge.
Ein Kälteschauer durchlief ihn, und ein gewaltiges Gewicht legte sich innerlich auf ihn, als habe er Blei geschluckt.
„Himmel, Jess.“
Sie drehte sich um und schaute zu ihm empor. Unter der breiten Hutkrempe waren ihre Augen so dunkel wie die finsteren Wolken über ihnen. „Du weißt, welches Kind ich meine, nicht wahr?“
Er konnte sich unter der Last in seinem Inneren nicht länger aufrecht halten. Seine Glieder zitterten. Er zwang sich, wegzugehen, zu dem gewaltigen Fels. Er legte seine geballte Faust gegen den herrlich unnachgiebigen Granit und presste seine pochende Stirn gegen die Faust.
Sie kam zu ihm. „Ich habe es offenbar falsch verstanden“, sagte sie. „Ich dachte, deine Feindseligkeit gelte der Mutter des Jungen. Daher war ich sicher, du würdest bald einsehen, dass das Kind wichtiger ist als ein alter Groll. Andere Männer scheinen problemlos mit ihren unehelichen Kindern umgehen zu können, ja, sie geben sogar mit ihnen an. Ich dachte, du seiest einfach nur starrsinnig. Aber das ist offenkundig nicht der Fall. Das hier scheint ein Problem von kosmischen Ausmaßen zu sein.“
„Ja.“ Er schluckte einen Mundvoll beißend kalter Luft. „Ich weiß, aber ich kann es nicht zu Ende denken. Mein Gehirn ... es verkrampft sich. Wie gelähmt.“ Er zwang ein kurzes Lachen durch seine enge Kehle. „Lächerlich.“
„Ich hatte keine Ahnung“, erwiderte sie. „Aber wenigstens erzählst du es mir jetzt. Das ist ein Fortschritt. Unglücklicherweise ist es nicht wirklich hilfreich. Ich stecke in einer Zwickmühle, Dain. Ich bin natürlich bereit, etwas zu unternehmen, aber ich kann das unmöglich tun, ohne dich über die Lage zu unterrichten.“
Die Wolken versprühten eisige Regentropfen, die der böige Wind ihm in den Nacken trieb. Er hob den Kopf und wandte sich zu ihr um. „Wir gehen besser zur Kutsche, bevor du dir eine tödliche Krankheit holst.“
„Ich bin sehr warm angezogen“, teilte sie ihm mit. „Ich weiß, was ich von dem Wetter erwarten kann.“
„Wir können das hier auch zu Hause diskutieren“, antwortete er. „Vor einem wärmenden Feuer. Ich würde gerne dort ankommen, bevor der Himmel seine Schleusen öffnet und uns durchweicht.“ „Nein!“, brach es aus ihr hervor, und sie stampfte mit dem Fuß auf. „Wir diskutieren gar nichts! Ich werde es dir sagen, und du wirst zuhören! Und es ist mir völlig gleich, ob du dir ein Lungenfieber holst und dazu noch Husten. Wenn dieser kleine Junge das Moor verkraften kann - ganz allein -, nur in Lumpen und Stiefeln mit lauter Löchern, mit nichts im Bauch als das, was er stehlen kann, dann kannst du es verdammt noch einmal auch aushalten!“ Wieder zuckte das Bild durch seinen Kopf.
Abscheu, sauer und dick, stieg in ihm auf. Dain zwang sich, mehr Luft in seine Lungen zu saugen, in langen angestrengten Atemzügen.
Ja, das konnte er verdammt noch einmal aushalten. Er hatte ihr vor Wochen gesagt, sie solle aufhören, ihn wie ein Kind zu behandeln. Er hatte gewollt, dass sie aufhörte, sich wie ein liebenswürdiger Automat zu verhalten. Seine Wünsche waren erfüllt worden, und er wusste nun, dass er alles ertragen konnte und würde, solange sie ihn nur nicht verließ.
„Ich höre zu“, sagte er und lehnte sich gegen den Felsen.
Sie betrachtete ihn mit sorgenvollen Blicken. „Ich will dich nicht quälen, Dain, und wenn ich eine Ahnung hätte, woraus dein Problem besteht, würde ich versuchen, dir dabei zu helfen. Aber das erfordert offensichtlich eine Menge Zeit, und Zeit haben wir momentan nicht. Im Moment bedarf dein Sohn dringender der Hilfe als du.“ Er zwang sich, sich auf ihre Worte zu konzentrieren und das widerliche Bild ganz nach hinten in seinen Kopf zu verdrängen.
„Ich verstehe. Im Moor, hast du gesagt. Ganz allein. Das geht nicht. Auf keinen Fall.“
„Und darum musst du begreifen, dass ich, als ich davon gehört habe, gezwungen war, etwas zu tun. Da du keinen Zweifel daran gelassen hast, dass du nichts von ihm oder über ihn hören wolltest, sah ich mich genötigt, hinter deinem Rücken zu handeln.“ „Verstehe. Dir blieb nichts anderes übrig.“
„Und ich würde dir jetzt nicht so zusetzen, wenn ich nicht gezwungen wäre, etwas zu tun, was du mir am Ende niemals verzeihen würdest.“
Er schluckte die Übelkeit und seinen Stolz auf einmal herunter. „Jess, das einzig wirklich Unverzeihliche, was du tun kannst, ist mich zu verlassen“,
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