Gezaehmt im Bett einer Lady
konzentrieren.
Gewöhnlich konnte Jessica die romantische Schwäche ihrer Großmutter mit milde belustigter Distanz betrachten. Jetzt hingegen verstand sie genau, was Genevieve empfand, und es war nicht im Geringsten lustig.
Es war nicht lustig, rastlos und gereizt und einsam zu sein und gelangweilter, als es auszuhalten war, weil es auf Mitternacht zuging und ein widerlicher Rohling sich nicht die Mühe machte, zu erscheinen. Es war ebenso wenig lustig, wenn man wusste, es war besser, dass er nicht kam, und ihn sich gleichzeitig her zu wünschen, sich im selben Atemzug dafür zu hassen, ihn hier haben zu wollen.
Sie hatte sogar zwei Tänze freigehalten, in der beschämenden Hoffnung, dass Seine Satanische Majestät sich herbequemen würde, um sie einer Laune folgend über die Tanzfläche zu wirbeln. Jetzt, als sie Genevieve mit dem gut aussehenden französischen Adeligen sah, sank Jessica das Herz. Mit Dain würde es nie so sein.
Er würde sie nie mit einem solch schmelzenden Lächeln ansehen wie Abonvilles, und wenn Jessica ihn je mit einem derart hingerissenen Ausdruck wie Genevieves anschauen würde, würde Dain ihr ins Gesicht lachen.
Eine Verzweiflung erstickend, von der sie sehr wohl wusste, dass sie unvernünftig war, gab Jessica dem Drängen ihrer glühendsten Verehrer nach. Sie überließ einen der reservierten Tänze Malcolm Goodridge und den anderen Lord Sellowby.
Als er seinen Namen auf das letzte freie Stäbchen ihres Fächers schrieb - der sollte das Andenken an den Anlass sein, ihren letzten Abend in Paris -, bemerkte Sellowby mit leiser Stimme: „Ich sehe, dass kein Tanz mehr für Dain frei ist. Sind Sie sicher, dass er nicht kommen wird?“
„Glauben Sie etwas anderes?“, fragte sie. „Haben Sie am Ende einen Hauch von Schwefel in der Luft oder eine Rauchwolke wahrgenommen, die von seiner Ankunft kündet?“
„Ich habe hundert Pfund auf sein Erscheinen gesetzt“, sagte Sellowby. Er zückte seine Taschenuhr. „Um genau - nun, das werden wir gleich sehen.“
Jessica sah im selben Augenblick, wie der Minuten- sich zum Stundenzeiger seiner Uhr gesellte, zu dem auch eine Uhr irgendwo die Stunde schlug.
Beim zehnten Schlag begannen sich die Köpfe zum Ballsaaleingang umzuwenden, und das Stimmengewirr erstarb. Mit dem zwölften Schlag war es im Saal totenstill.
Mit wild klopfendem Herzen zwang Jessica sich, sich ebenfalls zum Eingang umzudrehen.
Es war ein gewaltiger, reich verzierter Torbogen.
Er schien jedoch nicht groß genug für die dunkle hochgewachsene Gestalt, die darin stand.
Es war eine dramatische Pose, die zu dem Eintreten um Mitternacht passte. Und zu seinem Ruf als Fürst der Finsternis passend war Dain in kompromissloses Schwarz gekleidet. Ein wenig schneeweißes Leinen zeigte sich an seinen Handgelenken und ein weiteres bisschen um seinen Hals und auf der Brust, aber das unterstrich den Effekt nur noch. Selbst seine Weste war schwarz.
Obwohl sie fast am anderen Ende des Saales stand, hatte Jessica keinen Zweifel, dass der dunkle Blick, der achtlos über die Versammlung glitt, aus verächtlich glitzernden Augen kam und der harte Mund zu einem ganz leichten Lächeln mit nur einem Anflug von Hohn verzogen war.
Die Erinnerung daran, was sein liederlicher Mund ihr vor vierzehn Tagen angetan hatte, sandte eine Hitzewelle durch sie. Sie fächelte sich Luft zu und versuchte die Erinnerung zu verscheuchen - zusammen mit dem Verdacht, dass Sellowby sie aus dem Augenwinkel genauestens beobachtete. Sie sagte sich, dass es nicht von Bedeutung war, was Sellowby oder sonst jemand dachte, außer Dain.
Er war gekommen, und sie war hier, sodass er sich darüber nicht beklagen konnte. Alles, was sie jetzt tun musste, war, herauszufinden, welches Spielchen er im Sinn hatte, um es dann nach seinen Regeln zu spielen - und zu hoffen, dass diese Regeln sich irgendwie noch innerhalb der Grenzen zivilisierten Benehmens bewegten. Dann konnte er zufrieden und beschwichtigt lachend von dannen ziehen, um sich wieder seinen Vergnügungen zu widmen. Und sie konnte nach England zurückkehren, und er würde ihr nicht folgen. Sie würde ihr Leben wieder genau dort aufnehmen, wo sie es gelassen hatte, und binnen kürzester Zeit würde sie völlig vergessen, dass es ihn je gegeben hatte. Oder sie würde sich an ihn wie an einen schlechten Traum erinnern oder einen Fieberanfall und erleichtert seufzen, dass es vorbei war.
So muss es sein, sagte Jessica sich. Die Alternative war Ruin, und sie würde sich
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