Gezaehmt im Bett einer Lady
Dieser hier ist viel zu dunkel und verschnörkelt. Außerdem wollte ich sie lieber nicht in die Gemäldegalerie hängen, wenn es dich nicht stört. Mir wäre es am liebsten, wenn sie einen Platz für sich bekäme. Über dem Kamin im Speisesalon, denke ich. Statt des Landschaftsgemäldes.“
Sie kam näher, blieb ein paar Schritte rechts von ihm stehen. „Die Landschaftsdarstellung verlangt nach einem kleineren Zimmer. Und selbst wenn nicht, würde ich lieber sie ansehen.“
Er auch, obwohl es ihn innerlich auffraß.
Er wäre auch damit zufrieden gewesen, seine wunderschöne unmögliche Mutter einfach nur anzusehen. Er hätte nichts verlangt... oder nur so wenig: eine weiche Hand auf seiner Wange, nur einen Moment lang. Eine ungeduldige Umarmung. Er wäre so brav gewesen. Er hätte sich solche Mühe gegeben ...
Rührseliger Unsinn, tadelte er sich ärgerlich selbst. Es war nur ein verdammtes Stück Leinwand mit Farbe darauf. Es war das Bild einer Hure, wie der gesamte Haushalt, ganz Devon und fast die ganze Welt darüber hinaus wusste. Alle bis auf seine Frau mit ihrer teuflischen Gabe, die Welt auf den Kopf zu stellen.
„Sie war eine Hure“, stieß er harsch hervor. Und rasch und brutal, um alles gesagt und hinter sich gebracht zu haben, fuhr er fort: „Sie ist mit dem Sohn eines Kaufmanns aus Dartmouth davongelaufen. Sie hat offen mit ihm zwei Jahre lang zusammengelebt und ist mit ihm zusammen gestorben, auf einem fieberverseuchten Eiland der westindischen Inseln.“
Er drehte sich um und schaute in das ihm zugewandte blasse Gesicht seiner Ehefrau. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet. Und dann begannen sie tatsächlich zu glitzern ... von Tränen.
„Wie kannst du es wagen?“, fragte sie und blinzelte verärgert die Tränen fort. „Wie kannst ausgerechnet du es wagen, deine Mutter eine Hure zu nennen? Du kaufst dir jede Nacht eine neue Dirne. Das kostet dich nur ein paar Münzen. Du sagst selbst, sie hatte nur einen Liebhaber - und der hat sie alles gekostet: ihre Freunde, ihre Ehre. Ihren Sohn.“
„Ich hätte mir denken müssen, dass du sogar diese Verbindung romantisierst“, erwiderte er spöttisch. „Willst du die heißblütige Schlampe etwa zur Märtyrerin machen - von was, Jess? Liebe?“ Er wandte sich von dem Porträt ab, weil in ihm das Heulen begonnen hatte, und er am liebsten geschrien hätte: Warum? Dabei kannte er die Antwort, hatte sie immer schon gewusst. Hätte seine Mutter ihn geliebt- oder wenigstens Mitleid mit ihm gehabt, wenn sie ihn schon nicht lieben konnte -, hätte sie ihn mit sich genommen. Sie hätte ihn nicht allein gelassen - in der Hölle.
„Du weißt nicht, wie ihr Leben war“, sprach sie weiter. „Du warst ein Kind. Du konntest nicht wissen, was sie fühlte. Sie war eine Fremde hier, und ihr Ehemann war alt genug, um ihr Vater zu sein.“
„Wie Byrons Donna Julia, meinst du?“ Seine Stimme troff vor beißender Ironie. „Vielleicht hast du recht. Vielleicht wäre Mama mit zwei Ehemännern besser zurechtgekommen, oder auch mit fünfundzwanzig. “
„Du weißt nicht, ob dein Vater sie gut oder schlecht behandelt hat“, beharrte seine Frau, wie ein Lehrer bei einem trotzigen Kind. „Du weißt nicht, ob er ihr den Weg geebnet oder unmöglich gemacht hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sie elend gemacht hat - was mehr als wahrscheinlich ist, wenn sein Porträt einen zutreffenden Hinweis auf seinen Charakter gibt.“
Und was ist mit mir? wollte er rufen. Du hast keine Ahnung, wie es für mich war, das hässliche Ding, das sie zurückließ; ausgestoßen, verbannt, verspottet und misshandelt. Zurückließ, um zu leiden ... und teuer für das zu zahlen, was andere als selbstverständlich hinnahmen: Toleranz, Akzeptanz und die gelegentliche Berührung einer weichen Frauenhand.
Er war entsetzt über das Wüten in ihm, die Trauer, die Raserei eines Kindes ... das vor fünfundzwanzig Jahren gestorben war.
Er zwang sich, zu lachen und ihr offen in die grauen Augen zu schauen, ihr die spöttische Maske zu zeigen, die er so gut beherrschte. „Wenn du gegen meinen Vater eine Abneigung gefasst hast, darfst du ihn meinetwegen gerne in den Nordturm verbannen. Du kannst sie gerne an seine Stelle hängen. Oder in die Kapelle, mir ist es gleich.“
Damit wandte er sich zur Tür. „Du musst mich auch nicht um Erlaubnis fragen, wenn du etwas an der Einrichtung ändern willst. Ich weiß, keine Frau kann auch nur zwei Tage in einem Haus leben und alles so lassen, wie es
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