Gezähmt von sanfter Hand
den schweren Mantel und die dicken Beinlinge, die Catriona unter ihren hochgezogenen Röcken trug – sie saß rittlings und nicht im Damensattel auf dem Pferd. Während sie ihre Füße aus den Steigbügeln zog, ergriff Richard die Zügel ihrer Stute. »Du betest draußen? Bei diesem Wetter?«
»Bei jedem Wetter.« Damit schwang sie ein Bein über den Hals des Pferdes und wollte sich gerade auf den Boden hinuntergleiten lassen – doch Richard, einen Fluch unterdrückend, streckte hastig die Arme aus und hob Catriona mit Schwung herunter.
Und hielt sie noch einen Augenblick zwischen seinen Händen gefangen. »Wo?«
Den Blick fest auf sein Gesicht geheftet, zögerte Catriona einen winzigen Moment mit ihrer Antwort, dann reckte sie das Kinn vor. »Es gibt da einen Kreis am Kopfende des Tales.«
»Einen Kreis?«
Catriona wand sich aus seinem Griff, nickte und ergriff die Zügel der Stute.
Abermals einen Fluch unterdrückend, nahm Richard ihr die Zügel aus der Hand und bedeutete ihr dann mit einer stummen Geste, voranzugehen. Was Catriona auch tat – mit hoch erhobener Nase und herausfordernd schwingenden Hüften.
Er betete um Catrionas willen darum, dass im Stallgebäude keine einladenden Heuhaufen herumliegen würden. Mit zusammengebissenen Zähnen folgte er ihr in das warme Halbdunkel. »Gehst du oft beten? Und machst du das immer so, dass du einfach so verschwindest, noch vor Sonnenaufgang?« Noch bevor er aufgewacht war?
»Mindestens ein Mal pro Woche – manchmal auch öfter. Aber nicht jeden Tag.«
Im Geiste dankte Richard für diese kleine Gnade. Ihre Herrin hatte offenbar ein gewisses Verständnis für die Bedürfnisse der normalen Sterblichen. Nachdem Catriona die Stute in ihre Box geführt hatte, wandte Richard sich um und sah, dass sie den Sattelgurt löste. Dann griff sie nach dem Sattel.
»Lass nur – ich mach das.« Richard schnappte sich den Sattel und legte ihn über die Boxenwand. Schließlich nahm er ihr auch die Bürste ab und machte sich daran, das dichte Fell der Stute zu striegeln.
Catrionas Augen blitzten wütend auf.
»Ich kann mich allerbestens allein um mein Pferd kümmern!«
»Darauf gehe ich jede Wette ein. Wenn du jetzt nicht zulässt, dass ich mich um dein Pferd kümmere, dürfte dir die Alternative noch viel weniger schmecken.«
Wachsamkeit dämpfte die Wut in Catrionas Augen. »Alternative?«
Eisern hielt Richard seinen Blick auf das dichte Fell der Stute gerichtet. »Da hier kein Stroh herumliegt, müsste es an der Wand geschehen.« Ohne Catriona anzuschauen deutete er mit einer Kopfbewegung in Richtung Stallmauer. »Die Ecke dort bei der Tränke wäre gut geeignet – du könntest dich mit einem Fuß an der Kante abstützen.«
Catriona blickte zu der Stelle hinüber – und bei dem auf ihrem Gesicht erscheinenden Ausdruck hätte Richard die Bürste am liebsten sofort beiseite geschleudert.
»Andererseits« – er legte seine aufgestaute Energie in jeden einzelnen Bürstenstrich – »sieht mir dieses räudige Biest so aus, als würde sie beißen – was kein sonderlich angenehmer Gedanke ist.«
Catriona richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und stolzierte einmal um die Stute herum, sodass sie Richard direkt anfunkeln konnte, wobei das Pferd ihr eine sichere Deckung bot.
»Warum bist du bloß so, so …« – Catriona gestikulierte wild in der Luft herum –, »was auch immer du bist?«
Mit zusammengepressten Lippen warf Richard ihr einen grimmigen Blick zu, fuhr jedoch unbeirrt mit Striegeln fort.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und reckte ihr Kinn empor. »Nur weil ich zum Beten gegangen bin und dich vorher nicht um Erlaubnis gefragt habe?«
Sie wartete; ganz allmählich verebbte sein Zorn. Mit steinerner Miene sah Richard Catriona über den Rücken der Stute hinweg an. »Hier geht es nicht um eine Erlaubnis – aber ich muss doch wissen, wo du bist, wohin du gehst. Wie soll ich dich denn beschützen, wenn ich nicht weiß, wo du steckst?«
»Ich brauche aber keinen Schutz, während ich bete – niemand im Tal würde es wagen, den Kreis zu betreten. Der Boden dort ist heilig.«
»Wissen das auch die Leute, die außerhalb des Tales leben?«
»In dem Kreis bin ich so sicher wie ein Erzbischof in seiner Kathedrale.«
»Thomas Becket wurde direkt vor dem Altar der Kathedrale von Canterbury niedergemetzelt.«
Catriona hielt einen Augenblick inne, dann zuckte sie die Achseln. Und reckte ihre Nase noch ein wenig höher in die Luft. »Das war etwas
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