Gezähmt von sanfter Hand
nein, lass nur, du brauchst mir nicht erst zu erklären, wie er zu diesem Titel gekommen ist.«
Jamie sah erleichtert aus. »Ich kann mich nicht entsinnen, dass Dad noch viel mehr über sie gesagt hätte – außer dass sie allesamt Bastarde seien, mächtige Weiberhelden von der übelsten Sorte. Aber dass er das sagte, war unter den Umständen ja auch kaum verwunderlich.«
Catriona schnaubte angewidert. Mächtige Weiberhelden von der übelsten Sorte, na, großartig! Das hatte sie also den abwegigen Vorstellungen ihres verstorbenen Vormunds zu verdanken, dass sie sich jetzt mit einem Bastard und mächtigen Weiberhelden konfrontiert sah, der zu allem Überfluss auch noch in Wirklichkeit ein Bastard war. Machte ihn das nun mehr oder weniger mächtig? Irgendwie glaubte sie nicht, dass die Antwort »weniger« lauten würde. Sie blickte Jamie wieder an. »Und sonst hat Seamus nichts gesagt?«
Jamie schüttelte den Kopf. »Nein – außer, dass nur Dummköpfe glauben, sie könnten sich gegen einen Cynster behaupten.«
Mächtige Weiberhelden von der übelsten Sorte – das, so dachte Catriona, war wirklich eine treffende Charakterisierung. Die Arme vor der Brust verschränkt, wanderte sie vor den Fenstern im Salon hin und her und behielt dabei den schneebedeckten Rasen im Auge, über den Richard Cynster zum Haus zurückkehren würde.
Nun war sie in der Lage, das Ganze zu durchschauen – was Seamus mit seinem niederträchtigen Testament beabsichtigt hatte. Es war sein letzter Versuch gewesen, sich in ihr Leben einzumischen, ihr aus dem Jenseits noch seinen Willen aufzuzwingen. Aber nicht mit mir, dachte sie grimmig. Sie würde sich keinen Ehemann aufzwingen lassen, ganz gleich, ob es nun ein Cynster war oder nicht, ein ausgemachter Weiberheld oder was auch immer.
Richard Cynsters Vorgeschichte hörte sich sogar noch schlimmer an, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie wusste zwar nur wenig über die Sitten und Gebräuche der vornehmen Gesellschaft, aber dass die Ehefrau seines Vaters, ja sogar die ganze Familie, so bereitwillig einen unehelichen Spross in ihrer Mitte aufgenommen hatte, roch doch verdächtig nach männlicher Vormachtstellung. Zumindest deutete es darauf hin, dass die Ehefrauen der Cynsters schwach waren, nichts weiter als Marionetten ihrer mächtigen Ehemänner. Die männlichen Mitglieder des Cynster-Clans hörten sich wirklich nach Amok laufenden Tyrannen an, höchstwahrscheinlich waren sie zu Hause die reinsten Diktatoren.
Aber kein Mann würde sie, Catriona Hennessy, jemals beherrschen. Sie würde niemals zulassen, dass das geschah; das Schicksal des gesamten Tales und ihrer Leute ruhte auf ihren Schultern. Und um dieses Schicksal zu erfüllen, um ihr Ziel auf dieser Welt zu erreichen, musste sie weiterhin frei sein, frei und unabhängig und in der Lage, ihren Willen geltend zu machen, wenn es erforderlich war, in der Lage so zu handeln, wie es für ihre Leute am besten war – und zwar ohne die Beschränkungen, die ihr durch eine konventionelle Ehe auferlegt würden.
Ein konventioneller Ehemann, der obendrein auch noch ein ausgemachter Weiberheld war, kam für die Herrin des Tales schlicht und einfach nicht in Frage.
Das ferne Knirschen eines Stiefels auf dem Schnee riss Catriona abrupt aus ihren Gedanken und ließ sie zum Fenster hinausspähen. Es war später Nachmittag; die Dämmerung senkte sich ziemlich rasch herab. Sie sah die dunkle Gestalt, auf die sie gewartet hatte, zwischen den Bäumen hervorkommen und gemächlich den Abhang hinaufschlendern. Er war gekleidet in einen schweren, mit einer Pelerine versehenen Mantel, der seinen kraftvollen, breitschultrigen Körper in keiner Weise verbarg.
Bei seinem Anblick geriet Catriona plötzlich in Panik – sie schnitt ihr die Luft ab und ließ sie an allen Gliedern erzittern. Plötzlich schien es viel zu dunkel im Raum zu sein. Sie schnappte sich eine Zunderbüchse und rannte hektisch im Salon hin und her und zündete in aller Eile sämtliche Kerzen an, die sie finden konnte. Als Richard Cynster schließlich die Terrasse erreichte und sie das hohe Fenster öffnete und ihn hereinwinkte, war der Raum in helles Licht getaucht.
Er kam herein und wischte sich die Schneeflocken aus dem schwarzen Haar, sagte jedoch nichts, sondern blickte sie lediglich mit einer hochgezogenen Braue an, um zu dokumentieren, dass ihm ihre hektische Geschäftigkeit nicht entgangen war. Catriona kümmerte sich nicht darum. Sie presste nervös die Hände zusammen und
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