Gezähmt von sanfter Hand
gewesen.
Oder zumindest hatte sie das gedacht.
Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.
Catriona ließ sich in die Kissen zurücksinken und starrte an die Decke. In ihrer Jugend, als sie noch wild und dickköpfig war, hatte sie zuweilen versucht, sich dem Willen Der Herrin zu widersetzen. Daher kannte sie das Gefühl, das sie momentan erfasst hatte: eine Kombination aus Ungewissheit, Unzufriedenheit und einer überwältigenden Verwirrung, aus der sie sich, egal, wie sehr sie sich anstrengte, aus eigener Kraft nicht befreien konnte.
Sie verstand sich selbst nicht mehr, weil sie das Schicksal, den Willen Der Herrin, nicht mehr verstand.
Sie unterdrückte einen Aufschrei von Frustration, während sie energisch ihr Kopfkissen aufschüttelte, dann warf sie sich auf die Seite und kuschelte sich tief in ihr Bettzeug.
Es konnte doch einfach nicht wahr sein. Hatte Die Herrin tatsächlich ihn gesehen? War sie sich eigentlich im Klaren darüber, was sie Catriona nahe legte? Ihr befahl?
Wusste sie eigentlich, welchem Schicksal sie ihre höchste Dienerin aussetzte?
Die Ehe mit einem herrschsüchtigen Bastard.
Diese Erkenntnis lähmte Catriona bei allen weiteren Überlegungen. Sie starrte in die Dunkelheit, ohne irgendetwas von ihrer Umgebung wahrzunehmen, dann schloss sie die Augen und zwang sich schließlich, einzuschlafen.
Am nächsten Morgen erwachte Catriona erst spät – zu spät für ein Frühstück mit den anderen unten im Salon. Nachdem sie sich ein Tablett mit Tee und Toast auf ihr Zimmer hatte bringen lassen, zog sie sich warm an und warf sich ihren pelzbesetzten Umhang um. Dann entschwand sie Algarias wachsamen Augen und machte sich auf zu einem langen Spaziergang. Sie musste erst einmal wieder einen klaren Kopf bekommen.
Dieser Tag war freundlicher als der letzte, und auf den Wegen lag nur noch eine dünne Schneeschicht. Auf der Seitentreppe des Hauses hielt Catriona einen Moment inne und schaute sich um. Als sie nirgendwo eine Menschenseele entdeckte, strebte sie schnellen Schrittes auf einen vom Wald gesäumten Pfad zu und verschwand in den Schatten der Bäume.
Sie wanderte den Pfad entlang und genoss die winterliche Stille, die lediglich durch das Knirschen ihrer Stiefel auf den vereisten, abgestorbenen Blättern gestört wurde. Die Luft war frisch und klar, und Catriona sog sie tief in ihre Lungen ein. Sie fühlte sich sogleich besser.
Der Weg machte eine scharfe Biegung und führte in eine Talmulde hinab. Catriona folgte der Kurve – dort wartete er bereits auf sie, lässig gegen den Stamm eines hohen Baumes gelehnt und durch seinen langen Mantel vor der leichten Brise geschützt, die sanft sein schwarzes Haar zauste.
Als sie Richard erreicht hatte, war sie einen Augenblick lang versucht, ihre Hand auf sein Herz zu legen, um zu fühlen, ob es womöglich ein wenig zu schnell schlug. Er konnte das Haus erst nach ihr verlassen haben, musste also den Parallelpfad entlanggerannt sein, um sie an dieser Stelle abzufangen. Ihn zu berühren stand jedoch außer Frage. Stattdessen zog Catriona spöttisch die Brauen hoch. »Wieder mal verlaufen?«
Richard hielt ihrem Blick stand. »Nein.« Er legte eine kleine Pause ein, dann fügte er hinzu: »Ich habe auf Euch gewartet.«
Nachdenklich erwiderte sie seinen Blick, dann schnaubte sie verächtlich und bedeutete ihm durch eine Handbewegung, dass seine Begleitung erwünscht war. Catriona schlenderte weiter und Richard schloss sich ihr an, sein Gang erinnerte an die weit ausholenden Schritte eines Raubtieres. Er war um so vieles größer und stärker als sie und seine Gegenwart machte sie unsicher. Angespannt atmete Catriona tief ein und richtete ihren Blick hinauf in den von kahlen Ästen eingerahmten Himmel. »Leben die Cynsters in London?«
»Ja. Einige das ganze Jahr über, andere nur einen Teil des Jahres.«
»Und Ihr?«
»Das ganze Jahr – mittlerweile.« Er betrachtete aufmerksam die Umgebung. »Aber aufgewachsen bin ich in Cambridgeshire, im Somersham Palace, dem Sitz des Herzogs.«
Catriona warf Richard einen raschen Blick zu. »Jamie sagte, Euer Vater sei Herzog gewesen.«
»Sebastian Sylvester Cynster, Fünfter Herzog von St. Ives.«
Aus seinem Tonfall war deutlich die Liebe zu seiner Familie herauszuhören. Erneut sah Catriona ihn an. »Dann seid Ihr also bei Eurer Familie aufgewachsen?«
»Oh, aber natürlich.«
»Und Ihr habt auch noch einen älteren Bruder?«
»Devil.« Als Catriona fragend ihre Brauen hob, fügte er grinsend hinzu:
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