Gezähmt von sanfter Hand
Cynsters geprägte Teil seines Denkens hatte schon von dem Augenblick an, an dem er ein Auge auf Catriona geworfen hatte, darüber nachgegrübelt, wie er sie zu der seinen machen könnte. Noch bevor Seamus' letzter Wille verlesen worden war, hatte er mit dieser Möglichkeit gespielt. Dann jedoch hatte er versucht, auf die eine oder andere Art abzuwägen, ob er die Gelegenheit, die Seamus ihm bot, beim Schopfe packen, sich dem Schicksal beugen und Catriona zu seiner Ehefrau nehmen, oder ob er besser wieder abreisen und sie zurücklassen sollte.
Dies war der Stand seiner Überlegungen gewesen, bevor sie in sein Bett gekommen war.
Und nun … Richards lange Finger schlossen sich fest um den geschliffenen Weinkelch, sein Blick war nachdenklich auf die züngelnden Flammen geheftet.
»Seid Ihr so weit, Euch für das Abendessen umzukleiden, Sir?«
Mit entschlossener Miene blickte Richard auf. »Das bin ich in der Tat.«
Das Motiv. Catriona musste doch einen Grund dafür gehabt haben, weshalb sie in sein Bett gekommen war.
Als Richard über die Türschwelle in den Salon trat, fiel sein Blick sogleich auf Catriona. Scheinbar gleichmütig, in Wirklichkeit aber mit grimmiger Entschlossenheit, schlenderte er zu ihr hinüber.
Catriona hieß ihn mit einem offenherzigen Lächeln willkommen, das Richard mit dem ihm eigenen trügerischen Lächeln erwiderte.
An ihre erste gemeinsame Nacht hatte Richard nur noch unzusammenhängende Erinnerungen zurückbehalten; dennoch hätte er schwören können, dass Catriona noch Jungfrau gewesen war. Eine leidenschaftliche, gierige Jungfrau, die nur zu gerne bereit gewesen war, sich der Wolllust hinzugeben, aber nichtsdestotrotz eine Jungfrau. Vor ihm hatte sie noch mit keinem anderen Mann das Bett geteilt, davon war er fest überzeugt.
Was eine nicht zu unterschätzende Frage aufwarf: Warum gerade er?
Oder besser noch: Warum gerade jetzt?
»Ich hatte mich gefragt«, begann Richard, als er den üblichen Platz an ihrer Seite einnahm, »wohin Ihr zu gehen gedenkt, nachdem wir diese Angelegenheit mit Seamus' Testament hinter uns gebracht haben.«
Catriona wandte sich um, und ihr Blick traf auf den seinen. »Wohin? Na, ins Tal zurück, natürlich. Ich bleibe nie lange von zu Hause fort – normalerweise nicht länger als einen Tag.«
»Dann reist Ihr also nie nach Edinburgh oder Glasgow?«
»Noch nicht einmal nach Carlisle, und das ist schließlich noch näher.«
»Aber Ihr ordert doch Waren – Ihr habt neulich erwähnt, dass Ihr das tut.«
»Ich habe einige Boten, die regelmäßig ins Tal kommen.« Catriona zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Es erscheint mir klüger, mich nicht überall blicken zu lassen und auf meine Existenz aufmerksam zu machen – oder auf die des Tales. Wir fühlen uns in unserer Anonymität sehr wohl.«
»Hmm.« Richard musterte aufmerksam Catrionas Gesicht. »Gibt es noch andere Familien mit hohem Ansehen, die im Tal leben?«
»Hohem Ansehen?«
»Unabhängig. Nicht Eure Pächter.«
Catriona schüttelte den Kopf. »Nein – das ganze Tal gehört mir.« Flüchtig hob sie ihre Brauen. »Wir haben noch nicht einmal einen Kurat, denn im Tal gibt es natürlich auch keine Kirche.«
Richard schnaubte. »Wie habt Ihr es geschafft, der Kirche zu entkommen? Oder sind die ersten Amtsinhaber einfach spurlos verschwunden?«
Catriona versuchte, nicht den Mund zu verziehen, schaffte es aber nicht ganz. »Die Herrin verabscheut Gewalttätigkeit. Aber die Antwort auf Eure Frage lautet: Geografie. Das Tal liegt nämlich sehr weit abseits – tatsächlich kann man es, wenn man nicht weiß, dass es existiert, kaum finden.«
»Aber Ihr müsst doch wenigstens einige Nachbarn haben – die Besitzer der umliegenden Landgüter.«
Catriona nickte. »Allerdings lebt die Bevölkerung im Bergland sehr weit verstreut.« Dann hob sie ihren Blick. »Es ist schon ein recht einsames Dasein.«
Richard hatte den Eindruck, als hätte Catriona mit dieser letzten Bemerkung lediglich die Isoliertheit ihres Lebens hervorheben wollen – und doch erreichte ihn mit diesen Worten noch eine ganz andere Nachricht. Sie hielt Richards forschendem Blick noch für einen kurzen Moment stand, dann schien sie sich in sich selbst zurückzuziehen. Sie blinzelte und sah in eine andere Richtung und setzte hastig ein Lächeln auf, als sie nach einer der Tassen griff, die Mary gerade herbeibrachte.
Notgedrungen lächelte Richard Mary ebenfalls an und nahm ihr die zweite Tasse ab.
»Meine Liebe, ich
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