Gezeiten der Begierde - Jordan, N: Gezeiten der Begierde - To tame a dangerous lord/Courtship-Wars 5
Krieg sein kann.« Ihre Stimme wurde merklich leiser. »Mein Vater sprach selten von seinen Erlebnissen, aber dieser Blick in seinen Augen …«
»Ihr Vater war ein unglaublich couragierter Mann«, sagte Rayne.
»Wie hat er Ihnen das Leben gerettet?«
»Er hatte von einem Spähtrupp in der Region erfahren, in der wir unterwegs waren. Folglich war er vorgewarnt, als wir in einen Hinterhalt gerieten. Bei dem Angriff scheuchte er mein Pferd in dem Moment zur Seite, in dem feindliche Soldaten auf mich feuerten. Die Kugel landete in einem Baum hinter mir statt in meinem Kopf.«
»Ich bin froh, dass Sie verschont wurden.«
Dann verstummte sie, sichtlich in Gedanken versunken, während Raynes eigene von der Vergangenheit in die Zukunft wanderten.
Er plante zu heiraten, um seiner Pflicht als Earl nachzukommen, vor allem aber um seine hartnäckige Großmutter zufriedenzustellen, denn der Titel mitsamt dem Familienbesitz würde an Raynes Onkel fallen, sollte er keinen Erben vorweisen können.
Zwar hatte er es nicht eilig, seinen Junggesellenstatus oder seine Freiheit aufzugeben, doch er war seiner alternden Großmutter sehr zugetan. Mary Kenyon, die verwitwete Countess of Haviland, hatte ihn praktisch aufgezogen, nachdem seine Mutter im Kindbett starb, und so betrachtete er sich eher als ihr Kind denn als ihr Enkel. Noch dazu hatte sie ihm gegenüber behauptet, quasi im Sterben zu liegen, und ihm so das Versprechen abgerungen, ihr einen Erben zu schenken, bevor sie ihrem schwachen Herzen erlag – was maßlos übertrieben war.
Rayne wusste sehr wohl, dass sie willentlich Druck
auf ihn ausübte. Gleichwohl war es das einzig Wichtige, worum sie ihn jemals gebeten hatte, und mit dreiunddreißig konnte er durchaus sesshaft werden.
Also hatte er zugesagt, sich nach einer geeigneten Braut umzusehen. Er hatte sogar schon mehrere Kandidatinnen in Erwägung gezogen, von denen ihm bisher jedoch keine die richtige zu sein schien.
Dabei war er gewillt, eine Vernunftehe einzugehen. Im Grunde wollte er gar nichts Intimeres, denn seine eine unglückliche Erfahrung mit der Liebe hatte ihn gründlich von dieser Empfindung kuriert.
Abrupt brach Rayne diesen Gedankenfaden ab und blickte zu seiner Begleiterin. Das Schweigen zwischen ihnen währte bereits zu lange.
Und es war erstaunlicherweise überhaupt nicht unangenehm. Rayne schätzte Frauen, die nicht in einem fort plappern mussten, um jede Gesprächspause zu füllen. Auch wenn Madeline Ellis von sich sagte, sie würde stets aussprechen, was sie dachte, schien sie klug und sensibel genug zu wissen, wann man besser schwieg. Ein bisschen erinnerte sie ihn an seine Lieblingsgouvernante von früher, die ebenfalls nie mit ihrer Meinung hinter dem Berg hielt und keine Scheu hatte, ihn zu disziplinieren, wenn es angebracht war.
Allerdings hatte er sich bei der Gouvernante nie ausgemalt, mit ihr das Bett zu teilen, wie er es bei Madeline Ellis tat.
Sie mochte keine Schönheit sein, doch ihre üppige Figur und ihr fantastischer Mund brachten sein Blut in Wallung.
Dass er sich zu ihr hingezogen fühlte, passte eigentlich nicht zu ihm, denn wie die meisten Männer hegte auch er eine Vorliebe für schöne Frauen. In dem Jahr seit seiner Rückkehr hatte er seine körperlichen Bedürfnisse in kurzen Liaisons befriedigt, die er mit Damen
aus der Halbwelt einging. Und er hatte sorgsam darauf geachtet, dass keine dieser Affären länger als wenige Monate anhielt. Mehr Vertrautheit riskierte er nicht, denn Intimität provozierte allzu leicht Verrat.
Vielleicht war entschuldbar, dass er Miss Ellis irrtümlich für ein Freudenmädchen gehalten hatte, als sie heute Abend in seinem Salon Zuflucht suchte, war sie doch sehr spärlich bekleidet gewesen. Mittlerweile war er eines Besseren belehrt worden, konnte aber leider immer noch nicht aufhören, sie zu begehren.
Was eine umso gefährlichere Regung war, als sie tabu für ihn sein musste. Er durfte nicht nach der jungfräulichen Tochter eines Freundes und Lebensretters verlangen. Vielmehr sollte er ihr helfen und sie beschützen.
Nein, er würde sie nie wieder anfassen, schwor Rayne sich.
Die Versuchung bliebe gleichwohl, was ein Grund mehr war, sie in Danvers Hall unterzubringen statt in einem seiner eigenen Häuser.
Das Londoner Haus seiner Großmutter kam nicht infrage, denn Lady Haviland wäre nicht erfreut, eine Bedienstete als Gast zu empfangen – selbst wenn sie aus gutem Hause war – geschweige denn durch Madeline Ellis an Raynes
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