Gezeiten der Liebe
nicht?«
»Meine Macht? Welche Macht denn?«
»Die Macht, Ethan Quinn zu kriegen, wenn Sie Ethan Quinn haben wollen. Sie müssen ihn nur allein erwischen und ihn nach allen Regeln der Kunst verführen.«
Grace lachte ungläubig. »Ihn verführen? Ich und Ethan verführen? Das könnte ich nie tun.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich ...« Es mußte doch einen einfachen, logischen Grund geben. »Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, daß ich das Talent dazu habe.«
»Ich gehe jede Wette ein, daß Sie ein Naturtalent sind. Und ich werde Ihnen helfen.«
»Wirklich?«
»Auf jeden Fall.« Anna stand auf und machte sich wieder an ihrer Sauce zu schaffen. So konnte sie besser nachdenken. »Wann haben Sie Ihren nächsten freien Abend?«
»Morgen.«
»Gut, dann bleibt uns genug Zeit. Ich würde Ihnen ja Aubrey abnehmen, aber das wäre vielleicht zu auffällig, und wir sollten nicht den kleinsten Verdacht erregen. Gibt es jemanden, dem Sie sie mal über Nacht anvertrauen könnten?«
»Meine Mutter würde sie gern nehmen, aber ich wollte bisher nicht ...«
»Perfekt. Wenn die Kleine im Haus ist, könnten Sie sich gehemmt fühlen. Ich überlege mir, wie wir ihn zu Ihnen nach Hause locken können.«
Sie drehte sich um und musterte Grace. Eine kühle, klassische Schönheit, dachte sie. Mit großen, traurigen Augen. Der Ärmste war schon jetzt geliefert. »Sie werden etwas Schlichtes, aber Feminines tragen.« Nachdenklich tippte sie mit dem Finger gegen ihre Zähne. »Am besten Pastellfarben, zarte Farben, Blaßgrün oder Rosa.«
Grace hielt sich den Kopf. »Sie sind zu schnell für mich.«
»Na, jemand muß doch die Initiative ergreifen. Bei diesem Tempo werden Sie und Ethan sich noch in zwanzig Jahren aus der Ferne anschmachten. Kein Schmuck«, fügte sie hinzu. »Und nur ein Hauch Make-up. Benutzen Sie Ihr gewohntes Parfüm. Er kennt es, es wird ihm vertraut sein.«
»Anna, es spielt keine Rolle, was ich anziehe, wenn er nicht bei mir sein will.«
»Aber natürlich spielt es eine Rolle.« Für Anna, die seit ihrer Jugend leidenschaftlich in schöne Klamotten verliebt war, war so eine Meinung fast Blasphemie.« Die Männer denken immer, daß sie nicht bemerken, was eine Frau anhat – es sei denn, sie ist so gut wie nackt. Aber sie merken es sehr wohl – im Unterbewußtsein. Kleider helfen, eine bestimmte Stimmung oder ein Image zu unterstreichen.«
Mit gespitzten Lippen gab sie frisches Basilikum in die Sauce und holte eine Pfanne heraus, um Zwiebeln und Knoblauch zu dünsten. »Ich werde versuchen, ihn kurz vor Sonnenuntergang zu Ihnen zu locken. Sie sollten ein paar Kerzen anzünden und Musik auflegen. Die Quinns stehen auf Musik.«
»Was soll ich denn zu ihm sagen?«
»Mit dem Rest müssen Sie schon allein fertigwerden«, meinte Anna trocken. »Ich bin überzeugt, zu gegebener Zeit fällt Ihnen schon was ein.«
Grace war skeptisch. Während appetitliche Düfte die
Luft durchzogen, dachte sie angestrengt nach. »Es kommt mir so vor, als würde ich ihn in eine Falle locken.«
»Und was wäre die Alternative?«
Grace lachte leise. Und gab sich geschlagen. »Ich habe ein rosa Kleid. Vor ein paar Jahren für Steves Hochzeit erstanden.«
Anna blickte über ihre Schulter. »Und wie sehen Sie darin aus?
»Na ja ...« Grace lächelte zögernd. »Noch bevor die Hochzeitstorte angeschnitten wurde, wich Steves Trauzeuge mir nicht mehr von der Seite.«
»Klingt vielversprechend.«
»Ich weiß trotzdem nicht so recht ...« Grace brach ab, als ihr Mutterohr aus dem Wohnzimmer die Musik des Abspanns auffing. »Aubreys Sendung ist zu Ende. Ich muß noch den Rest saugen.«
Sie stand schnell auf, erschrocken bei dem Gedanken, daß Ethan nach Hause kommen könnte, bevor sie gegangen war. All ihre Gefühle mußten ihr vom Gesicht abzulesen sein. »Anna, ich weiß zu schätzen, was Sie für mich tun wollen, aber ich glaube einfach nicht, daß es klappen wird. Ethan hat seinen eigenen Kopf.«
»Na, zumindest wird es ihm nicht schaden, zu Ihnen zu kommen und Sie in Ihrem rosa Kleid zu sehen, oder?«
Grace holte tief Luft. »Kann Cam jemals in einer Diskussion mit Ihnen gewinnen?«
»Bei seltenen Gelegenheiten schon, aber nicht, wenn ich in Hochform bin.«
Grace ging langsam zur Tür. Aubreys stille, brave Phase mußte sich mittlerweile ihrem Ende nähern. »Ich bin froh, daß Sie heute eher nach Hause gekommen sind.«
Anna klopfte mit dem Holzlöffel auf den Rand des Kochtopfs. »Ich auch.«
10. Kapitel
Am
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