Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
er für Wochen oder Monate spurlos untertaucht, wenn er in seinem Labor arbeitet und sich zwischendurch zum Skydiving, Parasailing oder zum Bergsteigen absetzt. Ihr wisst schon, eine Heilige.«
Schallendes Gelächter brach auf Tysons Kosten aus. Er war nicht so umgänglich und unkompliziert wie sein Cousin Sam. Sam fügte sich überall blendend ein und besaß die angeborene Gabe, andere zum Lachen zu bringen. Ty rang sich ein mattes Grinsen ab. »Darüber sollte ich mir wirklich Gedanken machen«, stimmte er seinem Cousin zu. »Aber es sieht ganz so aus, als könnte ich nicht abschalten. Eines der Projekte bei BioLab geht mir einfach nicht aus dem Kopf.«
Sam stöhnte. »Ich dachte, du hättest deine Projekte und alles, woran du sonst noch gearbeitet hast, vor den Ferien abgeschlossen …«
»Das stimmt nicht ganz, denn es handelt sich um ein laufendes Projekt zur Identifizierung einer Reihe von hochwirksamen In-vitro-Hemmstoffen …«
»Hör bloß auf, Ty.« Sam fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Sonst bist du schuld daran, wenn wir alle Kopfschmerzen
kriegen. Kein Wunder, dass du mit dem Gedanken spielst, einen Hausstand zu gründen. Sich Tag und Nacht Sorgen um solche Dinge zu machen, das hält doch kein Mensch aus. Die Hälfte von dem Kram, mit dem du dich beschäftigst, könnte ich wahrscheinlich nicht mal richtig aussprechen.«
Ty zuckte die Achseln, und sein Gesicht verfinsterte sich. »Es geht nicht um mein Hepatitis-C-Projekt. Vor einiger Zeit hat die Firma begonnen, ein neues Medikament zu entwickeln. Es beruht auf den grundlegenden Erkenntnissen der Studie zur Zellregeneration bei äußeren Verletzungen, die ich vor ein paar Jahren vorgelegt habe. Man glaubt, man habe unter Umständen ein Medikament zur Krebsbekämpfung gefunden. Aber irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass daran etwas nicht stimmt. Ich habe mich in meiner Freizeit noch mal drangesetzt und selbst ein bisschen nachgeforscht…«
»Ty.« Sam schüttelte den Kopf. »Wenn du hierher kommst, dann tust du das, um all das hinter dir zu lassen. Du hast beschissen ausgesehen, als du zu den Übungseinsätzen erschienen bist. Du lässt dich derart von dieser Arbeit in Anspruch nehmen, dass du ebenso gut im Gefängnis sitzen könntest.«
»Es ist nur so, dass dieses Medikament ein sehr reales Potenzial besitzt, vielen Krebspatienten zu helfen. Harry Jenkins hat die Leitung des Projekts übernommen, aber er ist nicht so gründlich, wie es erforderlich wäre. Er neigt dazu, Verfahren abzukürzen, weil ihm mehr an der Anerkennung liegt als daran, zum richtigen Ergebnis zu kommen.« Plötzlich wurde ihm überdeutlich bewusst, dass alle anderen um ihn herum schwiegen. So ging es ihm immer. Er konnte sich nirgends einfügen, auch dann nicht, wenn er sich noch so sehr anstrengte. Die meisten Gespräche erschienen ihm banal, weil sein Verstand selbst dann, wenn er sich bemühte abzuschalten, unablässig damit beschäftigt war, ein Problem zu knacken, und daher wäre es ihm viel lieber gewesen, einfach weiterzuarbeiten.
»Dieses Medikament fällt doch noch nicht mal in dein Ressort,
oder?«, fragte Sam. »Ich wette, der alte Harry kann dich nicht besonders gut leiden, stimmt’s?«
»Nein, eigentlich nicht«, gab Ty widerstrebend zu. Harry konnte ihn nicht ausstehen. Allerdings bezweifelte er, dass es viele Menschen gab, die ihn gut leiden konnten. Er wünschte, es wäre ihm wichtig, aber für ihn zählte nur Sam. Er ließ Sam nicht gern im Stich. »Aber es geht ja schließlich nicht um einen Beliebtheitswettbewerb. Dieses neue Medikament könnte Leben retten. Und es basiert auf meiner früheren Arbeit über die Zellregeneration. Wenn sie es nicht richtig hinkriegen, würde ich mich dafür verantwortlich fühlen.«
»Na, toll. Dann wirst du deinen Urlaub also in diesem behelfsmäßigen Labor in unserem Keller verbringen?«, fragte Sam. »Und ich hatte außer dem Parasailing auch noch Wildwasserrafting und ein paar Touren zum Klettern an der Steilwand mit dir geplant. Ich kann dir nur raten, mich nicht schon wieder im Stich zu lassen.«
Ty lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte das gut geschnittene Gesicht seines Cousins. Sam gelang es manchmal, beleidigt zu wirken. Ty kannte keinen anderen Mann, der eine beleidigte Miene aufsetzen konnte und trotzdem noch anziehend auf Frauen wirkte. Sam war charmant. Ty wünschte sich oft, er besäße ein klein wenig von dem, was Sam an sich hatte, was auch immer das sein mochte. Sam kam
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