Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
retten, und dass sie es gefahrlos ausführen konnten. Er wusste, dass die Entscheidung bei der Hubschrauberbesatzung liegen würde, doch Ty war bereits Feuer und Flamme.
Sie konnten bei Regen und sogar bei einer gleichbleibenden Windgeschwindigkeit von bis zu sechzig Knoten in der Stunde fliegen, aber nicht bei Sturmböen über zwanzig. An der Küste regnete es, aber der Wind war beständig und keine Spur von Nebel war zu sehen. Genau das war es, weshalb er sich entschlossen hatte, Jahr für Jahr wieder mitzumachen. Deshalb betrieb er das Skydiving und das Parasailing. Er brauchte etwas, was seine ungeteilte Aufmerksamkeit erforderte. Außer
der Euphorie durch übermäßige Adrenalinausschüttung hatte er noch nichts gefunden, was die Biochemie und die DNA-Stränge vollständig aus seinem Bewusstsein vertrieb und seinen Gedanken erlaubte, sich ausschließlich dem zu widmen, was gerade geschah.
Er fühlte Sams Blick auf sich und lächelte, um ihn zu beruhigen. Seit Tante Ida gestorben war, war Sam der einzige Mensch, den er noch hatte und dem auch etwas an ihm lag. Er wollte nicht, dass sein Cousin sich Sorgen machte, er könnte dieser Aufgabe nicht gewachsen sein. Seine Nervosität legte sich bereits, und seine Hände waren ruhig. Sogar sein Herzschlag hatte sich wieder normalisiert. Ja. Er war bereit. Das harte Training war durchaus lohnend gewesen, um ihn wieder in Form zu bringen.
Mit dem Hubschrauber kamen sie erstaunlich schnell über die Berge zur Küste, und Brannigan ließ den Huey eine Weile dicht über dem Opfer auf der Stelle schweben, um die Chancen eines gefahrlosen Rettungsmanövers einzuschätzen. Wie immer hielten sie sich an ihre Checkliste für Short-Haul-Manöver, um anhand von sachlichen Fragen zu analysieren, ob das Manöver erforderlich war und die Gefährdung der Mannschaft rechtfertigte. Das geschulte Personal stand zur Verfügung. Die Flugbedingungen waren günstig. Die Schwerpunktbestimmung blieb im Rahmen des Vertretbaren. Die Feuerwehrmänner hatten eine Alternative zu diesem Rettungsmanöver ausprobiert, die sich jedoch als zu riskant erwiesen hatte. Die Besatzung des Hubschraubers war sich darüber einig, dass eine Rettung von der Steilküste aus die Sicherheit des Verunglückten gefährden könnte.
Brannigan landete den Hubschrauber, nachdem sie sich die Position des Opfers aus jedem Blickwinkel angesehen hatten. Wie immer gingen sie sparsam mit dem Treibstoff um, während sie die Möglichkeiten besprachen und einen durchführbaren Plan zur Bergung des Opfers entwickelten.
Ty konnte spüren, dass sein Körper inzwischen vibrierte. Jede einzelne Zelle war lebendig und munter. Und zum Einsatz bereit. Jedes Mitglied der Rettungsmannschaft wurde aufgefordert, sich für oder gegen den Einsatz auszusprechen. Jetzt oder nie. Eine einzige Gegenstimme und der Einsatz würde abgeblasen werden. Sie würden alle nach Hause gehen und am Leben bleiben. Keiner würde dagegen stimmen und Ty schon gar nicht. Er hob die Daumen, und Sean gab dem Piloten seine Zustimmung per Funk durch. Alle hatten sich dafür ausgesprochen.
Die geographischen Gegebenheiten an der Küste bestimmten jeweils darüber, von welcher Seite des Hubschraubers aus das Rettungsmanöver unternommen wurde. Die Küste verlief von Südosten nach Nordwesten und daher wurde eine Rettung normalerweise von der rechten Seite unternommen, es sei denn, es herrschte ein ungewöhnlicher Südwind, was zum Glück nicht der Fall war. Hubschrauber flogen gern in den Wind und mochten keinen Wind von links. Wenn Wind durch die linke Tür wehte, war die aerodynamische Stabilität nicht gewährleistet.
Brannigan ließ sich bestätigen, dass der Ambulanzhubschrauber auf dem Weg war, und erteilte die Anweisung, er solle auf der Lichtung über der alten Mühle auf der den Klippen abgewandten Seite landen. Er startete wieder, da er einen Powercheck des Triebwerks vornehmen wollte. Sie mussten in der Lage sein, mit einem genügenden Leistungsspielraum in der Luft zu schweben, um die Rettung gefahrlos durchzuführen. Sie hatten zwar die Tabellen, aber die Besatzungen von Hubschraubern waren für ihre Skepsis berüchtigt und zogen es deshalb vor, alles selbst zu überprüfen.
»Powercheck abgeschlossen, unsere Power ist ausreichend«, sagte Brannigan.
Ty sah die Sonne durch die Wolken brechen. Das Wasser funkelte, und die Regentropfen sahen aus wie Diamanten. Er
atmete die Küstenluft ein, den Geruch des Ozeans. Sam, der neben ihm saß, roch nach
Weitere Kostenlose Bücher